Die letzten Geheimnisse des Glimmers |
Ein altbekanntes Mineral rückt durch Anwendungen in der Elektronik wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Die TU Wien zeigt, dass Glimmer Überraschungen bereithält. Glimmer ist auf den ersten Blick etwas ganz Gewöhnliches: Es ist ein häufiges Mineral, das etwa in Granit vorkommt, es wurde bereits unzählige Male untersucht, aus geologischer, chemischer und technischer Perspektive.
Man könnte glauben, über so ein alltägliches Material lässt sich
nichts Neuer mehr herausfinden. Doch das wäre ein Irrtum: Die
Oberflächenphysikalischen Details von Glimmer wurden nämlich bisher noch
nie auf atomarer Skala studiert – nun präsentierte allerdings ein Team
der TU Wien dazu eine Studie. Es
gelang, die Verteilung von Kalium-Ionen auf der Glimmer-Oberfläche zu
erklären. Das ist wichtig für die Forschung an Elektronik mit
2D-Materialien.
Atomar dünne Schichten2D-Materialien sind
eines der meisterforschten Themen in der aktuellen Materialwissenschaft:
Seit es gelungen ist, bestimmte Materialien wie Graphen oder
Molybdändisulfid herzustellen, die nur aus einer oder aus wenigen Lagen
von Atomen bestehen, werden immer wieder neue Erkenntnisse über die
ungewöhnlichen Eigenschaften dieser Materialien gewonnen.
Glimmer
ist in gewissem Sinn ein natürlich vorkommendes 2D-Material: Er besteht
aus atomar dünnen Schichten, die je nach Glimmer-Typ unterschiedliche
Atome enthalten können: Sauerstoff ist immer dabei, oft Silizium, häufig
auch Kalium oder Aluminium. Der Schicht-Aufbau des Glimmers ist auch
der Grund für sein charakteristisches Glänzen – oft erkennt man ein
Farbenspiel, ähnlich wie bei einer dünnen Ölschicht auf einer
Wasserpfütze.
Kalium-Ionen im UltrahochvakuumDie äußerste
Schicht von Glimmer ist allerdings schwer zu untersuchen, denn dort
lagern sich in natürlicher Umgebung sofort andere Atome und Moleküle aus
der Luft an. Mit einem neuartigen Rasterkraftmikroskop an der TU Wien
gelang es nun aber, die Oberfläche von Glimmer im Ultrahochvakuum
abzubilden. „Dabei konnten wir uns ansehen, wie die Kalium-Ionen auf der
Oberfläche verteilt sind“, sagt Giada Franceschi, die Erstautorin des
aktuellen Papers, die im Team von Prof. Ulrike Diebold forscht. „Auch
Einblicke in die Positionen der Aluminum-Ionen, die darunter liegen,
konnten wir gewinnen – das ist eine experimentell besonders schwierige
Aufgabe.“
Die Aufnahmen der TU Wien zeigen: Die Kalium-Ionen sind
nicht zufällig auf der Oberfläche verteilt, wie man das bisher vermutet
hatte, sondern ordnen sich in winzigen Mustern an. Diese Verteilungen
konnten mit Hilfe von Computersimulationen auch berechnet werden.
Passender Isolator für 2D-ElektronikWichtig
könnte das unter anderem für Versuche sein, 2D-Materialien wie Graphen
für elektronische Schaltungen zu verwenden. Dafür benötigt man nämlich
auch passende Isolatoren – und Glimmer ist ein sehr naheliegender
Kandidat dafür. „In solchen elektronischen Bauteilen spielen die
Oberflächeneigenschaften von Glimmer eine ganz entscheidende Rolle“,
sagt Giada Franceschi.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles/news/news/die-letzten-geheimnisse-des-glimmers
Quelle: Technische Universität Wien (01/2023)
Publikation: G.
Franceschi et al., Resolving the intrinsic short-range ordering of K+
ions on cleaved muscovite mica, Nature Communications 14, 208 |