Neuartige Methode zur Steuerung chemischer Reaktionen |
Zu den wichtigsten Bausteinen für organische Verbindungen wie Arzneien, Pflanzenschutzmittel und viele Materialien gehören substituierte Aromaten. Die Funktion der Moleküle wird durch die räumliche Verknüpfung der verschiedenen Bausteine bestimmt, das „Substitutionsmuster“. Ein Forschungsteam aus der Organischen Chemie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat jetzt im Fachmagazin Chem eine Methode vorgestellt, um Verbindungen mit einem sonst schwer zugänglichen Substitutionsmuster effizienter als bisher herzustellen. Um die dafür nötige Aktivierung von Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen zu erreichen, entwickelten sie einen speziellen Palladium-Katalysator. Er kann erstmals eine bislang nicht mögliche Position innerhalb von Molekülen selektiv ansteuern.
Langjährige Forschungslücke geschlossenMit ihrer neuen Methode
schließen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine langjährige
Forschungslücke. „Substituierte Aromaten haben im Prinzip drei
Positionen, an denen ein Katalysator andocken kann, um eine Reaktion
auszulösen – ortho, meta und para genannt. Je nach Position entstehen am
Ende verschiedene chemischen Produkte mit fundamental anderen
Eigenschaften“, sagt Manuel van Gemmeren, Professor für Organische
Chemie an der CAU. Für die ortho- und para-Positionen waren bereits
Möglichkeiten bekannt, um Katalysatoren gezielt dort angreifen zu
lassen. Manuel van Gemmeren und sein Team können jetzt zum ersten Mal
auch die meta-Position direkt selektiv ansteuern. Damit können sie
sogenannte meta-substituierte Benzylammonium-Verbindungen herstellen,
die aufgrund ihrer vielseitigen Einsatzbarkeit in der Organischen Chemie
sehr interessant sind.
Normalerweise treten diese Verbindungen
höchstens in geringen Mengen vermischt mit anderen Produkten auf.
„Bisher mussten sie umständlich voneinander getrennt werden. Alternativ
waren aufwendige Syntheseverfahren notwendig, um sie gezielt
herzustellen. Beide Fälle führten zu unnötigen Abfallprodukten“, erklärt
van Gemmeren. Mit der neuen Methode lassen sich meta-substituierte
Benzylammonium-Verbindungen jetzt also weitaus effizienter herstellen.
Dafür
nutzte das Forschungsteam ein in der Fachliteratur bislang noch nicht
beschriebenes Prinzip: Der von ihnen entwickelte Palladium-Katalysator
kann mit Ladungen im Molekül wechselwirken. Dadurch verändert sich die
Zusammensetzung der entstehenden Produkte drastisch zugunsten des bisher
schwer herstellbaren Substitutionsmusters. Berechnungen von Kolleginnen
und Kollegen des Institut Català d’Investigació Química (ICIQ),
Spanien, zeigten, dass dafür tatsächlich die Ladungswechselwirkungen
verantwortlich sind.
Auch für Pharmazie- oder Agrarunternehmen interessantDiese
Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung können auch für Pharmazie-
oder Agrarunternehmen interessant sein, die riesige Bibliotheken von
strukturverwandten Molekülen aufbauen und ihre biologische Aktivität
untersuchen. „Überall dort, wo eine möglichst große Vielfalt an
Verbindungen systematisch untersucht wird, kann unsere Methode ein
hilfreiches Werkzeug sein, um Wissenslücken zu schließen“, sagt van
Gemmeren.
Die Entwicklung der neuen Methode ist das Ergebnis
langjähriger Vorarbeiten, die bereits an der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster begonnen haben. Hier baute van Gemmeren
über das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) eine eigene Forschungsgruppe zur Aktivierung von
Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen auf, bevor er 2022 an die CAU kam. In
Kiel wird er auch sein ERC-Starting-Grant-Projekt „DULICAT“ umsetzen,
aus dem die Konzeptidee für die neue Methode hervorgegangen ist. Vom
Europäischen Wissenschaftsrat (European Research Council, ERC) hat er
dafür eine Förderung von 1,8 Millionen Euro erhalten.
Den Artikel finden Sie unter:
http://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/013-palladium-katalysator
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (01/2023)
Publikation: Mondal
et al., Charge-controlled Pd catalysis enables the meta C-H activation
and olefination of arenes, Chem (24.01.2023),
https://doi.org/10.1016/j.chempr.2022.12.019 https://www.cell.com/chem/fulltext/S2451-9294(22)00662-3 |