Die Analyse mikrobieller Umwelt-DNA hilft zu verstehen, wie der Wasserkreislauf einer Region funktioniert. Mit dieser Methode hat der Basler Hydrogeologe Oliver Schilling das Wassersystem am Mount Fuji untersucht. Woher kommt das Wasser, das die Menschen in einer Region mit Trinkwasser versorgt? Wie speisen sich diese Quellen und wie lange dauert es, bis versickertes Wasser wieder an die Oberfläche gelangt? Dieser hydrologische Kreislauf ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Versteht man das System besser, lässt sich etwa nachvollziehen, warum die Verschmutzung an manchen Stellen grösser ist als an anderen, und es hilft dabei, ein nachhaltiges Wassermanagement zu implementieren.
Wichtige Hinweise zum Verständnis liefert die Umwelt-DNA
beziehungsweise environmental DNA (eDNA). Kombiniert mit der Auswertung
anderer natürlicher Stoffe (Tracer) wie etwa Edelgasen, gewähren diese
mikrobiellen Daten Einsichten in das Fliessverhalten und den Kreislauf
von komplexen Grundwassersystemen. «Das ist eine riesige Toolbox, die
neu ist für unseren Forschungsbereich», sagt Oliver Schilling, Professor
für Hydrogeologie an der Universität Basel und der Eawag, dem
Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs. Die quantitative
Hydrogeologie bildet ab, wo und wie schnell sich neues Grundwasser
bildet.
Ab 2018 führte Schilling am Mount Fuji in Japan
verschiedene Messungen durch, um nachzuvollziehen, woher das Quellwasser
kommt respektive wo es durchfliesst, bevor es in Hunderten natürlichen
Quellen wieder an die Oberfläche tritt. Seine Erkenntnisse publizierte
er nun im Fachmagazin "Nature Water", dessen Erstausgabe soeben
erschienen ist.
Wasserherkunft aus eDNA lesen
Die Wahl des
Berges war kein Zufall: «Die geologische Lage des Mount Fuji ist auf der
Erde einmalig, da nur genau dort drei kontinentale tektonische Platten
aufeinandertreffen. Das Grundwassersystem ist dadurch hoch komplex und
nicht so gut mit Standardmethoden zu untersuchen», erklärt Oliver
Schilling.
Auf die Idee, in dem Gebiet mikrobielle eDNA zu
untersuchen, kam er dank des Hinweises eines japanischen Kollegen. «Er
erzählte mir von Wasserquellen am Mount Fuji, die auffällige Signaturen
aufweisen: Die im Wasser enthaltene eDNA zeige das Vorkommen von
Organismen, die nur in einer Tiefe von 500 bis 1000 Metern vorkommen»,
erinnert er sich. Ein Hinweis darauf, dass ein Teil des Quellwassers aus
tiefem Grundwasser stammt. «Es war das erste Indiz dafür, dass
mikrobielle eDNA einen Hinweis auf die Fliesspfade des Grundwassers
liefern könnte, wenn man sie mit anderen, unabhängigen Tracern wie etwa
Edelgasen kombiniert», so Schilling weiter.
Seine Neugierde war
geweckt. Damals als PostDoc an der Université Laval in Québec tätig,
reiste er während seiner Ferien nach Japan und führte zusammen mit
seinem japanischen Kollegen verschiedene Messungen durch. Zudem
vertiefte er sich in bereits vorhandene, primär japanische
Fachliteratur. Neben der eDNA analysierte der Hydrogeologe zwei weitere
Grundwassertracer, die aufgrund der besonderen geologischen Lage des
Mount Fuji vermehrt vorkommen: das Edelgas Helium sowie das
Spurenelement Vanadium. «Alle drei natürlichen Tracer erzählen die
gleiche Geschichte: Es gibt am Mount Fuji eine systematische
Tiefenzirkulation des Wassers. Solche Analysen sind der Schlüssel, um
das System zu verstehen», fasst Oliver Schilling zusammen
Auch Erkenntnisse für die Schweiz möglich
Diese
neue Tracer-Anwendung kann weltweit zur Untersuchung von
Grundwassersystemen eingesetzt werden. In der Schweiz zum Beispiel, um
herauszufinden, woher das Wasser stammt, das für die Aufbereitung zu
Trinkwasser aus dem Untergrund gepumpt wird. «So deutet ein grosser
Anteil an eDNA von kälteliebenden Mikroben im Grundwasser darauf hin,
dass Schmelzwasser aus Schnee und Gletschern einen wesentlichen Anteil
am Grundwasser hat», erklärt Oliver Schilling.
Mit Blick in die
Zukunft heisst das: «Wenn wir die Bedeutung dieser natürlichen
Wasserreserven für eine Region kennen, können wir frühzeitig
Alternativen suchen, damit betroffene Gebiete von saisonaler
Wasserknappheit möglichst verschont bleiben», so der Hydrogeologe
weiter. Mit der Gletscherschmelze und Schneemangel im Zuge des
Klimawandels gehen für viele Gebiete in der Schweiz zunehmend wichtige
Wasserspeicher verloren, die Bäche und das Grundwasser speisen. Dies
wird sich insbesondere in den immer häufigeren heissen, trockenen
Sommermonaten negativ auf die Wasserverfügbarkeit auswirken.
Eine
Möglichkeit, akutem Wassermangel im Sommer vorzubeugen, wäre, im
Winterhalbjahr mehr Regenwasser in Reservoiren zu fassen, beispielsweise
durch künstliche Anreicherung von Grundwasser oder mit einer
angepassten Bewirtschaftung von Stauseen. «Die Analyse mikrobiologischer
eDNA bietet sich hierbei als ein neues Werkzeug an, um hydrologische
Modelle, die für das Grundwassermanagement genutzt werden, besser zu
eichen», so Schilling. Das wiederum sei wichtig für realistische
Prognosen zu Wasserverfügbarkeit und –qualität und ermöglicht eine
nachhaltige und langfristige Planung zur Bewirtschaftung des
Grundwassers – unserer kostbarsten und ergiebigsten
Trinkwasserressource.
Publikation: Oliver Schilling et al. Revisiting Mt. Fuji’s groundwater origins with helium, vanadium and eDNA tracers Nature Water (2023); doi: 10.1038/s44221-022-00001