Was die Epigenetik über die Gebrechlichkeit verrät |
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) entwickelten ein mathematisches Modell, das die Gebrechlichkeit anhand epigenetischer DNA-Methylierungsmuster im Blut vorhersagen kann. Ihre Methode könnte helfen, alterungsbedingte Gesundheitsprobleme frühzeitig zu erkennen, um ihnen durch gezielte Präventionsmaßnahmen entgegenzuwirken.
Es ist bekannt, dass bestimmte epigenetische Faktoren wie
DNA-Methylierungen eine große Rolle im Alterungsprozess spielen. Die
Methylierung des Erbguts reguliert in hohen Maße die Aktivität der Gene.
Anders als der genetische DNA-Code, der von den Eltern an ihre Kinder
weitergegeben wird und lebenslang weitestgehend stabil ist, sind
epigenetische Merkmale durch zahlreiche Faktoren, wie z.B. Lebensstil
oder Ernährung, beeinflussbar. DNA-Methylierungsmuster lassen sich
relativ einfach in menschlichen Blutproben bestimmen. Forscher des DKFZ
gingen der Frage nach, ob sich diese Informationen für eine biologische
Bewertung der Gebrechlichkeit einer Person nutzen lassen.
Gebrechlichkeit
ist das Ergebnis eines Zusammenspiels von genetischen, zellbiologischen
psychosozialen und Umweltfaktoren. Sie wird im höheren Alter zunehmend
häufiger, steigert das Risiko für Gesundheitsprobleme und
Krankenhausaufenthalte und geht mit einer erhöhten Sterblichkeit einher.
„In unserer alternden Gesellschaft wäre es wünschenswert, dem Auftreten
der Gebrechlichkeit durch Präventionsmaßnahmen möglichst gut
entgegenwirken zu können“, erklärt Herrmann Brenner, Epidemiologe im
DKFZ. „Molekularbiologische Daten könnten wertvolle Informationen geben,
wie das am besten gelingen kann.“
Brenners Arbeitsgruppe führte
im Rahmen einer bevölkerungsbasierten Kohorte älterer Erwachsener aus
Deutschland, der ESTHER Studie, ein molekulargenetisches Screening
durch. Dabei identifizierte sie eine spezifische
DNA-Methylierungssignatur, die nicht nur die aktuelle Ausprägung der
Gebrechlichkeit, sondern auch das Risiko des Auftretens der
Gebrechlichkeit in den kommenden Jahren sehr gut vorhersagte.
Methylierungsmuster haben große Vorhersagekraft für GebrechlichkeitIm
zweiten Schritt überprüften die Wissenschaftler, ob der von ihnen
entwickelte epigenetische Gebrechlichkeits-Score das Bestehen bzw. das
Risiko der Gebrechlichkeit einer Person auch in anderen Kohorten
zuverlässig vorhersagen kann. Dazu testeten sie ihn mit Hilfe von Daten
einer weiteren Studie mit noch älteren Teilnehmern, der KORAAge Studie.
Diese Validierungsanalyse bestätigte die vorangegangenen Ergebnisse: Der
Score zeigte eine hohe Übereinstimmung mit dem Auftreten der in der
Studie beobachteten Gebrechlichkeit – sowohl zum Zeitpunkt des
Studienstarts als auch – in noch stärkerem Maße – am Ende der
fünfjährigen Nachbeobachtungszeit.
„Unser epigenetischer Score
ist, ergänzend zum chronologischen Alter, ein sehr guter biologischer
Indikator für das Risiko der Gebrechlichkeit“, so Brenner. Die
Wissenschaftler wollen ihre Untersuchungen nun vertiefen, um den
bestmöglichen Nutzen des epigenetischen Gebrechlichkeitsindex für die
Gesundheitsvorsorge zu ermöglichen.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2022/dkfz-pm-22-67-Was-die-Epigenetik-ueber-die-Gebrechlichkeit-verraet.php
Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum (11/2022)
Publikation: Li
X., Delerue T., Schöttker B., Holleczek B., Grill E., Peters A.,
Waldenberger M. Thorand B. und Brenner H. Derivation and validation of
an epigenetic frailty risk score in population-based cohorts of older
adults. Nature Communications; 2022, DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-022-32893-x |