Gold aus Troia, Poliochni und Ur hatte denselben Ursprung
Das Gold in Objekten aus Troia, Poliochni - einer Siedlung auf der ungefähr 60 Kilometer vor Troia liegenden Insel Lemnos - und dem mesopotamischen Ur hat denselben geographischen Ursprung und wurde über große Distanzen gehandelt. Zu dieser Erkenntnis kommt ein internationales Forscherteam, das mit Hilfe einer innovativen mobilen Lasermethode erstmals Proben von berühmten frühbronzezeitlichen Schmuckstücken aus Troia und Poliochni analysiert hat.
Die Studie haben Ernst Pernicka, Wissenschaftlicher Direktor des
Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie (CEZA) an den Reiss-Engelhorn-Museen
in Mannheim und Leiter des Troia-Projekts an der Universität Tübingen,
und Barbara Horejs, Direktorin der Österreichischen Archäologischen
Instituts an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
initiiert. In ihrem internationalen Team waren Naturwissenschaftlerinnen
und Archäologen vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie, dem
Österreichischen Archäologischen Institut in Wien (ÖAI) und des
Nationalen Archäologischen Museums in Athen beteiligt.
Seit
Heinrich Schliemann 1873 in Troia unter anderem den „Schatz des Priamos“
gefunden hat, ist das Rätsel um die Herkunft des Goldes ungelöst.
Professor Pernicka und das internationale Team konnten nun nachweisen,
dass es aus sogenannten sekundären Lagerstätten wie Flüssen stammte und
seine chemische Zusammensetzung einerseits identisch ist mit der von
Goldobjekten aus der Siedlung Poliochni auf Lemnos und aus den
Königsgräbern im mesopotamischen Ur, andererseits aber auch mit der von
Objekten aus Georgien. „Es muss also Handelsbeziehungen zwischen diesen
weit entfernten Regionen gegeben haben“, sagte Pernicka.
Die
Untersuchung war durch einen tragbaren Laser (pLA) möglich geworden, der
dem Team die minimalinvasive Entnahme von Probenmaterial aus
Schmuckstücken im Archäologischen Nationalmuseum in Athen ermöglichte.
Die Halsketten, Anhänger, Ohr- und Halsringe des Museums sind so
kostbar, dass sie weder in ein Labor transportiert, noch auf eine Weise
untersucht werden dürfen, die sichtbare Schäden an den Objekten
hinterlässt. Die bisher verfügbaren Methoden scheiterten an mindestens
einem dieser Hindernisse. Der tragbare Laser dagegen schmilzt für eine
Probeentnahme vor Ort im Museum ein so kleines Loch in die Stücke, dass
es mit bloßem Auge nichts zu erkennen ist. Anschließend konnte Pernicka
und sein Team im Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim die
Proben mittels Massenspektrometrie auf ihre Zusammensetzung hin
untersuchen. Historischer Goldschmuck enthält neben Gold immer auch
andere Elemente wie Silber, Kupfer, Zinn, Palladium und Platin. Je nach
Legierung können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein
eindeutiges chemisches Profil von den Fundstücken erstellen und daraus
Rückschlüsse ziehen. So sind die hohen Konzentrationen von Zinn,
Palladium und Platin im Troia-Schmuck ein klarer Hinweis darauf, dass
das dafür verarbeitete Gold in Form von Goldstaub aus einem Fluss
gewaschen wurde. Die Forschenden konnten auch nachweisen, dass
Werkstätten Schmuck in Serie produzierten und nicht nur als
Einzelstücke. Anders sei beispielsweise der identische Anteil von Platin
und Palladium in den Goldplättchen von Halsketten gleicher Machart, die
aber an unterschiedlichen Orten gefunden wurden, nicht zu erklären. Insgesamt
untersuchte das Forscherteam 61 Artefakte, die alle aus der frühen
Bronzezeit zwischen 2.500 und 2.000 v. Chr. stammen. In diesen Zeitraum
gehört auch der berühmte „Schatz des Priamos“, den Schliemann
fälschlicherweise dem mythischen König von Troia aus der Ilias
zugeordnet hatte.
Auch über die Herkunft des Goldes aus den
Königsgräbern von Ur war in der Fachwelt schon seit Jahrzehnten
diskutiert worden. In Mesopotamien gibt es keine natürlichen
Goldvorkommen – weshalb West-Anatolien, wo auch Troia lag, als mögliche
Herkunftsregion vermutet worden ist. „Es kommen aber noch ganz andere
Regionen in Betracht, in die rege Handelsbeziehungen mit Ur nachgewiesen
sind“, so Pernicka. In der frühen Bronzezeit wurden in einem großen
geographischen Raum von der Ägäis bis ins Industal im heutigen Pakistan
auffallend ähnliche Gegenstände genutzt, wie die archäologischen
Vergleichsstudien belegen: amtliche Siegel und standardisierte Gewichte,
Ohrringe mit denselben Spiralmustern, Schmucksteine wie Lapislazuli
oder der orange-weiß schimmernde Karneol. „Die neuen archäometrischen
Daten eröffnen uns einen soliden und globalen Rahmen für unsere Modelle
von Gesellschaften, ihren Netzwerken und die Bedeutung von Ressourcen
vor rund 4500 Jahren“, so Horejs.
Die genaue Herkunft des
Troia-Goldes konnten die Forschenden allerdings noch nicht zweifelsfrei
klären, sagt Pernicka: „Wenn wir den Anteil von Spurenelementen im Gold
aus Troia, Poliochni und Ur betrachten, so zeigt bronzezeitliches Gold
aus Georgien die größte Übereinstimmung mit den genannten Fundorten. Uns
fehlen aber noch Daten und Untersuchungen aus anderen Regionen und von
weiteren Objekten um diese Vermutung zu erhärten. “
Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen (11/2022)
Publikation: Moritz
Numrich, Christoph Schwall, Nicole Lockhoff, Kostas Nikolentzos, Eleni
Konstantinidi-Syvridi, Massimo Cultraro, Barbara Horejs, Ernst Pernicka:
Portable laser ablation sheds light on Early Bronze Age gold treasures
in the old world: New insights from Troy, Poliochni, and related finds.
Journal of Archaeological Science https://doi.org/10.1016/j.jas.2022.105694