Wie körpereigene Cannabinoide die Bronchien weit stellen
Die Verengung der Bronchien macht viele Lungenerkrankungen wie Asthma so gefährlich. Forschende haben einen neuen Signalweg entdeckt, der zur Erweiterung der Atemwege führt. Inhalationsmedikamente gegen Asthma und andere obstruktive
Lungenerkrankungen lassen nach längerer Anwendung oft in ihrer Wirkung
nach. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Daniela Wenzel aus der Abteilung
für Systemphysiologie der Ruhr-Universität Bochum konnte nun einen
alternativen Signalweg zeigen, über den körpereigene Cannabinoide zu
einer Weitstellung der Bronchien führen. Dies weckt Hoffnungen auf
alternative Behandlungsmöglichkeiten. Asthma geht offenbar auch mit
einem Mangel an diesen Cannabinoiden in den Bronchien einher, der als
eine der Ursachen der Erkrankung infrage kommen könnte.
Körpereigene Cannabinoide stellen die Bronchien weit
Obstruktive
Lungenerkrankungen sind weltweit die dritthäufigste Todesursache. Zu
ihnen gehören etwa die chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen COPD, an
der viele Raucherinnen und Raucher leiden, aber auch Asthma bronchiale.
Bei einem Asthmaanfall ziehen sich die Bronchien so stark zusammen,
dass kein Ausatmen mehr möglich ist – das kann lebensbedrohlich sein.
„Asthma ist zwar ein entzündlicher Prozess, aber fatal ist vor allem die
Engstellung der Bronchien“, erklärt Annika Simon, Erstautorin der
Studie. „Darum interessieren wir uns besonders für die Regulation dieser
Engstellung.“
In einer vorangegangenen Arbeit stand das
körpereigene Cannabinoidsystem bereits im Fokus, damals jedoch sein
Effekt in den Blutgefäßen der Lunge. Das bekannteste körpereigene
Cannabinoid ist Anandamid. „Da unsere Ergebnisse zeigen, dass Anandamid
die Bronchien erweitert, wollten wir den genauen Mechanismus dahinter
aufklären“, erklärt Daniela Wenzel.
Enzym baut Cannabinoid ab
Schnell
zeigte sich, dass die zwei bekanntesten Rezeptoren für Anandamid (CB1
und CB2) bei dieser Regulation keine Rolle spielen. Es muss also einen
alternativen Signalweg geben, über den der Botenstoff Anandamid auf die
Bronchien wirkt.
Daniela Wenzel und ihr Team konnten zeigen, dass
dieser alternative Weg über ein Enzym führt, die sogenannte
Fettsäureamid-Hydrolase, kurz FAAH vom englischen Wort fatty acid amide
hydrolase. FAAH baut Anandamid ab, wobei unter anderem Arachidonsäure
entsteht, die wiederum zu Prostaglandin E2 umgebaut wird. „Von
Prostaglandin E2 weiß man, dass es die Bronchien weitstellen kann“,
erklärt Annika Simon. Prostaglandin E2 wirkt über bestimmte Rezeptoren
und führt zu einem Anstieg des Botenstoffs cAMP (Cyclisches
Adenosinmonophosphat). „Genau darauf, auf den Anstieg des cAMP, zielen
auch bewährte Inhalationsmedikamente gegen Asthma“, so Daniela Wenzel.
Das Ziel ist also dasselbe, der Weg aber verschieden.
Anandamid-Mangel bei Asthma
Wenzel
und ihr Team schlüsselten den Signalweg nach und nach auf. Sie konnten
zeigen, dass sich das Enzym FAAH sowohl in der glatten Muskulatur der
Bronchien als auch im Flimmerepithel befindet. Der Anstieg des cAMP nach
einer Anandamid-Gabe ließ sich sowohl im Mausmodell als auch an
menschlichen Bronchialzellen nachweisen. Um herauszufinden, ob Anandamid
auch bei Asthmakranken wirken könnte, nutzte das Team ein
Krankheitsmodell bei Mäusen, bei dem durch bestimmte Substanzen ein
künstliches Asthma erzeugt werden kann. Auch bei diesen Tieren führte
die Gabe von Anandamid zu einer Weitstellung der Bronchien. „Asthma
führt also nicht zu einer Resistenz gegen Anandamid“, folgert Daniela
Wenzel. Darüber hinaus konnten die Forschenden nachweisen, dass
asthmatische Tiere über weniger Anandamid und andere Endocannabinoide in
ihrem Bronchialsystem verfügen als gesunde. „Es könnte also sein, dass
dieser Anandamid-Mangel eine der Ursachen für die Erkrankung Asthma
bronchiale ist“, schließt Daniela Wenzel.
Die Entdeckung des
neuen Signalwegs könnte auch neue Möglichkeiten eröffnen, in das
Krankheitsgeschehen einzugreifen. „Bis dahin ist es aber noch ein weiter
Weg, der sicher mehrere Jahre dauern wird“, betont Daniela Wenzel.
Ausdrücklich warnt sie Betroffene davor, Versuche mit Cannabispflanzen
zu unternehmen. „Man kann keine direkten Rückschlüsse aus den
Erkenntnissen über körpereigene Cannabinoide auf die pflanzlichen
Cannabinoide ziehen. Welche weiteren Inhaltsstoffe sich neben den
bekannten Cannabinoiden genau in Cannabispflanzen befinden, ist völlig
unklar. Die Pflanzen enthalten mitunter auch schädliche Stoffe“. Die
Erkenntnisse dieser Studie sind dennoch bereits richtungsweisend für ein
besseres Verständnis des körpereigenen Cannabinoidsystems, was in
einigen Jahren zu neuen Therapiemöglichkeiten für Lungenerkrankungen
führen könnte.
Publikation: Annika
Simon, Thomas von Einem, Alexander Seidinger, Michaela Matthey, Laura
Bindila, Daniela Wenzel: The endocannabinoid anandamide is an airway
relaxant in health and disease, in: Nature Communications, 2022, DOI:
10.1038/s41467-022-34327-0