CRISPR-Cas: Gen-Hemmung statt Gen-Schere |
Passt, auch ohne zu schneiden: Das Bodenbakterium Pseudomonas oleovorans nutzt ein natürliches CRISPR-Cas-System, das zur Steuerung der Genaktivität taugt. Das berichtet eine Forschungsgruppe aus der Biologie und Chemie der Philipps-Universität Marburg, die den letzten bislang kaum beschriebenen Typus bakterieller CRISPR-Cas-Systeme charakterisiert hat.
CRISPR-Cas-Anwendungen dienen seit wenigen Jahren zur gezielten
Veränderung der Erbsubstanz DNA; im Jahr 2020 erhielten die
Molekularbiologinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna den
Nobelpreis für Medizin und Physiologie für die Entdeckung des „Genome
Editing“ mittels CRISPR-Cas. „Ursprünglich kommen CRISPR-Cas-Systeme in
Mikroorganismen vor, die sich damit gegen eingedrungene DNA oder RNA zur
Wehr setzen, insbesondere gegen Viren“, erläutert der Marburger
Genetiker Professor Dr. Lennart Randau, der die Forschungsarbeit
leitete. „Bislang unterscheidet die Wissenschaft sechs Typen von
CRISPR-Cas-Systemen.“
Die meisten dieser Systeme bestehen aus gut
charakterisierten Molekülen; lediglich Typ IV gab bislang noch Rätsel
auf, die seine naturwüchsige Aktivität in Bakterienzellen betreffen.
„Übersichtsarbeiten über CRISPR-Cas-Systeme enthalten in der Regel nur
Fragezeichen, wenn es um die grundlegenden Eigenschaften von Typ IV
geht“, erläutert der Marburger Genetiker Xiaohan Guo, der seine
Doktorarbeit in Randaus Labor anfertigt und als einer der Erstautoren
der aktuellen Veröffentlichung firmiert.
Wie funktioniert Typ IV
in seiner natürlichen Umgebung in der Bakterienzelle, für welche Aufgabe
ist das System angelegt? Wie ist das Ausgangsmaterial beschaffen, an
dem es ansetzt: Besteht das Substrat aus doppelsträngiger DNA, aus
DNA-Einzelsträngen oder aus RNA? Schneidet das CRISPR-Cas-System dieses
Substrat? Nutzt es hierzu eine bekannte Erkennungssequenz, an das es
koppelt?
Um der Beantwortung dieser Fragen näher zu kommen,
nahmen Randau und sein Team das CRISPR-Cas-System von Typ IV eines weit
verbreiteten Bakteriums unter die Lupe, nämlich Pseudomonas oleovorans.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfolgten die Aktivität
des CRISPR-Cas-Systems im ursprünglichen Wirt, verpflanzten es aber auch
in das Bakterium Escherichia coli, das besonders gut zugänglich für
Laborexperimente ist.
Das Team fand heraus, dass Typ IV auf
doppelsträngige DNA als Substrat zielt. Das CRISPR-Cas-System benötigt
eine wohldefinierte Erkennungssequenz, die man auch von den anderen
Typen kennt. Es schneidet die DNA jedoch nicht.
Wenn das System
nicht als Schere dient, also eingedrungenes Erbmaterial nicht
zerschneiden kann – welche Funktion erfüllt es stattdessen? Wie die
Forschungsgruppe feststellte, taugt Typ IV-CRISPR-Cas eher dazu, die
Aktivität der eigenen Pseudomonas-Gene zu kontrollieren.
„Im
Vordergrund des Manuskripts steht unsere Entdeckung, dass ein Teil des
CRISPR-Cas-Systems perfekt zu einer Zielsequenz im Genom von Pseudomonas
passt“, führt Randaus Doktorandin Mariana Sanchez-Londono aus, die sich
mit Xiaohan Guo die Erstautorenschaft teilt. Aus ihrem Befund leiten
die Autorinnen und Autoren ein Funktionsmodell ab: Demzufolge legen sich
die zueinander passenden Abschnitte aneinander, so dass die
Bakterien-DNA an dieser Stelle nicht abgelesen und umgesetzt werden
kann.
Entfernt man den entsprechenden Abschnitt künstlich aus dem
CRISPR-Cas-System, so blockiert er das Gegenstück im Bakteriengenom
nicht, was zu einer verstärkten Aktivierung des Gens an dieser Stelle
führt. „Es handelt sich um eine Art natürliches Werkzeug, um die
Genaktivität stillzulegen“, schlussfolgert Randau.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-marburg.de/de/aktuelles/news/2022/crispr-cas-gen-hemmung-statt-gen-schere
Quelle: Philipps-Universität Marburg (10/2022)
Publikation: Xiaohan
Guo, Mariana Sanchez-Londono & al.: Characterization of the
self-targeting Type IV CRISPR interference system in Pseudomonas
oleovorans, Nature Microbiology 2022, DOI: 10.1038/s41564-022-01229-2,
URL: http://www.nature.com/articles/s41564-022-01229-2 |