Ein unbeständiges flockenartiges Netzwerk entsteht
Ein Element der Zelle ist während der Embryonalentwicklung besonders wichtig: der Zellkortex. Dieses feine Netzwerk aus Haar-ähnlichen Fadenstrukturen Aktin-Proteinen direkt unter der Zellmembran bestimmt maßgeblich die Form der Zelle. Ein internationales Forscherteam des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme und des Exzellenzclusters Physik des Lebens an der TU Dresden untersuchte die Bildung hat herausgefunden, dass Tausende von dynamischen und schnelllebigen tröpfchenförmigen Kondensaten aus Aktinfilamenten die Bildung des ersten Kortex steuern, wenn sich eine unbefruchtete Eizelle nach der Befruchtung in einen Embryo entwickelt.
Der Zellkortex spielt bei fast allen Zellfunktionen eine wichtige
Rolle, insbesondere wenn sie sich bewegt, sich teilt oder ihre Umgebung
wahrnimmt. Um seine Funktionen wahrzunehmen, muss der Kortex zunächst
aus einzelnen Molekülen aufgebaut werden. Er besteht aus Aktinfilamenten
und Motorproteinen, die in einem dicht verbundenen Netzwerk organisiert
sind.
Innerhalb von zehn Minuten nach der Befruchtung einer
Eizelle bildet sich der Zellkortex. Der dynamische Aufbau des Kortex ist
das Ergebnis von Motorproteinen, die an Aktinfilamenten ziehen und so
mechanische Spannungen Kräfte im Kortex erzeugen. Diese Kräfte bestimmen
beispielsweise die Form der Zellen, ihre Fähigkeit, die Umgebung
wahrzunehmen und ihre Funktionen in unserem Körper zu erfüllen.
Die
Dynamik des Zellkortex wurde in der Vergangenheit bereits intensiv
untersucht, aber der Mechanismus, durch dieser direkt nach der
Befruchtung zum ersten Mal aktiviert wird, war bislang unbekannt. Die
Prinzipien, auf denen die Bildung der Zellrinde beruht, sind von
entscheidender Bedeutung, da sie an fast allen Funktionen der Zelle
beteiligt ist und eine fehlerhafte Organisation des Zellkortex zu einer
Beeinträchtigung wichtiger zellulärer und entwicklungsbezogener Prozesse
führen kann.
Proteinkondensate leben nur kurz
Ein
interdisziplinäres Forschungsteam hat diesen Prozess beim Fadenwurm C.
elegans nun untersucht. „Wir konnten beobachten, wie sich Aktin und die
Proteine WSP-1 und ARP2/3, die den Aktinkern bilden, zu kleinen
Kondensaten zusammenfinden, die nur für Sekunden bestehen bleiben, um
sich gleich danach wieder aufzulösen. Diese Kondensate sorgen dafür,
dass die richtige Menge an Aktinfilamenten in der genau passenden Weise
miteinander verbunden ist. Für mich liegt die Schönheit dieser
Strukturen darin, was uns ihre Dynamik über die ungewöhnliche Chemie der
lebenden Materie lehrt. Die Strukturen bestehen aus weit verzweigten
Aktinfilamenten und haben Ähnlichkeit mit einer Schneeflocke, sind aber
viel unbeständiger“, erklärt Arjun Narayanan, Forscher in der Gruppe von
Stephan Grill, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare
Zellbiologie und Genetik. Victoria Tianjing Yan ergänzt: „Wir haben
unsere eigene Bildgebungs- und Bildanalysemethode entwickelt, die wir
„Mass Balance Imaging“ nennen, um zu untersuchen, wie die Struktur der
schnelllebigen Kondensate wächst und sich weiterentwickelt.“
Während
ihrer Studien fanden die Forscherinnen und Forscher heraus, dass
bestimmte biochemische Reaktionen steuern, wie schnell ein Kondensat
wächst und wann es wieder verschwindet. Kondensate im Zellkortex
organisieren ihren eigenen Lebenszyklus weitgehend unabhängig von ihrer
äußeren Umgebung. Stephan Grill fasst zusammen: „Wir schließen daraus,
dass die Kondensate im Zellkortex eine neue Art von biomolekularen
Kondensaten sind, die durch spezifische biochemische Reaktionen
angetrieben werden und sich innerhalb von Sekunden auf- und abbauen.“ Er
fügt hinzu: „Wir vermuten, dass diese schnelllebigen Kondensate die
Aktivierung des Zellkortex und die feine Präzision seiner wachsenden
Architektur nach der Befruchtung Eizelle steuern. Frank Jülicher,
Direktor am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme und
Mitautor der Studie, fügt hinzu: „Diese Studie ist ein weiteres Beispiel
dafür, wie wir hier in Dresden eine Brücke zwischen Physik und Biologie
schaffen. Unser interaktives Arbeitsumfeld mit Biologen und
theoretischen Physikern zusammen ermöglicht neue interdisziplinäre
Ansätze, um die Physik biologischer Prozesse zu entschlüsseln.
Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (09/2022)
Publikation: Victoria Tianjing Yan, Arjun Narayanan, Tina Wiegand, Frank Jülicher, Stephan W. Grill A condensate dynamic instability orchestrates actomyosin cortex activation. Nature (2022) DOI https://dx.doi.org/10.1038/s41586-022-05084-3