Mehr Sicherheit, weniger Kosten: Kleine Spektroskopiegeräte kommen immer mehr in Reichweite
Die Kernspinresonanz stellt die Basis für zahlreiche Anwendungen dar, beispielsweise die Magnetresonanztomografie in der medizinischen Diagnostik. Allerdings werden bisher noch starke Magnetfelder benötigt, was den Einsatz der Nuclear Magnetic Resonance (NMR), so die englische Bezeichnung, begrenzt. Forschungen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und dem Helmholtz-Institut Mainz (HIM) zeigen nun neue Möglichkeiten auf, die zu einer Verkleinerung der Geräte und einer höheren Sicherheit beitragen können, weil sie auf starke Magnetfelder verzichten. Erreicht wird dies durch eine Kombination von Null- bis Ultraniedrigfeld-Magnetresonanz mit einer speziellen Technik zur Hyperpolarisation. „Es ist eine konzeptionell neue, schöne Methode, die uns viele Gelegenheiten eröffnet und die bisherigen Nachteile überwindet“, sagt Dr. Danila Barskiy, der als Sofja Kovalevskaja-Preisträger seit 2020 an der JGU und am HIM auf diesem Gebiet arbeitet.
Neuer Ansatz soll Messungen ohne starke Magnetfelder ermöglichen
Problematisch
ist bei den bisherigen Anwendungen der Kernspinresonanz vor allem, dass
die Geräte wegen der Magneten sehr schwer und auch teuer sind.
Erschwerend kommt derzeit eine Verknappung bei flüssigem Helium hinzu,
das als Kühlmittel benötigt wird. „Mit der neuen Methode bewegen wir uns
in Richtung einer magnetfreien Umgebung, auch wenn die vor uns
liegenden Aufgaben noch eine Herausforderung sind“, beschreibt Danila
Barskiy die Perspektive.
Damit starke Magnetfelder überflüssig
werden, nutzt der Wissenschaftler die Null- bis
Ultraniedrigfeld-Magnetresonanz, kurz ZULF-NMR, und kombiniert sie mit
einer speziellen Methode zur Hyperpolarisation von Atomkernen. ZULF-NMR
ist eine neu aufkommende Technik, die auch ohne starke Magnetfelder
umfangreiche spektroskopische Informationen liefert. Ein weiterer
Vorteil gegenüber der Hochfeld-NMR ist, dass Signale auch in Gegenwart
von leitfähigen Materialien wie Metallen gut nachweisbar sind. Die
Sensoren, die für die ZULF-NMR verwendet werden, in der Regel optisch
gepumpte Magnetometer, sind sehr empfindlich, einfach zu handhaben und
im Handel erhältlich. Die ZULF-NMR-Spektrometer sind damit relativ
einfach aufzubauen.
SABRE-Relay: Spinordnung wird wie ein Staffelstab weitergegeben
Eine
Schwachstelle ist bisher allerdings noch das NMR-Signal. Die Methoden,
die zur Erzeugung des Signals derzeit angewandt werden, sind nur für
einen begrenzten Pool von Chemikalien geeignet oder mit unerschwinglich
hohen Kosten verbunden. Barskiy nutzt daher die Hyperpolarisation von
Atomkernen, bei der die Spins der Kerne in großer Zahl ausgerichtet
werden. Dazu sind verschiedene Techniken geeignet, die ein ausreichend
starkes Signal für den Nachweis unter ZULF-Bedingungen liefern. SABRE –
Signal Amplification by Reversible Exchange – hat sich als besonders
günstig erwiesen: Im Zentrum der Technik befindet sich ein
Iridium-Metallkomplex, der den Transfer der Spinordnung von
Parawasserstoff auf ein Substrat vermittelt. Nachteile dieser Technik,
die aus der vorübergehenden Bindung der Probe an den Komplex
resultieren, hat Barskiy mithilfe von SABRE-Relay gelöst, einer noch
recht jungen Weiterentwicklung: Die Polarisation erfolgt via SABRE und
wird dann weiter auf ein sekundäres Substrat übertragen.
Spin-Chemie an der Schnittstelle von Physik und Chemie
In
der Publikation „Relayed Hyperpolarization for Zero-Field Nuclear
Magnetic Resonance” im Fachmagazin Science Advances beschreiben Danila
Barskiy, Erstautor Erik Van Dyke und ihre Co-Autoren, wie der
Signal-Nachweis für Methanol und Ethanol in einer Probe gelingt, die aus
Wodka extrahiert wurde. „Mit diesem einfachen Beispiel zeigen wir, wie
der Anwendungsbereich der ZULF-NMR durch eine kostengünstige, schnelle
und vielseitige Hyperpolarisationsmethode erweitert werden kann“, fasst
Barskiy die Ergebnisse zusammen. „Wir hoffen, dass wir unserem Ziel
einen weiteren Schritt näherkommen, nämlich kompakte und tragbare Geräte
zur Untersuchung von Flüssigkeiten wie Blut und Urin, aber
perspektivisch auch von Glukose und Aminosäuren zu entwickeln.“
Danila
Barskiy erhielt 2020 einen Sofja Kovalevskaja-Preis der Alexander von
Humboldt-Stiftung und wechselte von der der University of California,
Berkeley, nach Mainz in den Bereich von Prof. Dr. Dmitry Budker,
Gastgeber am Institut für Physik der JGU und am HIM. Barskiy ist
physikalischer Chemiker und Leiter einer Arbeitsgruppe, die Anwendungen
der Kernspinresonanz für die Chemie, Biologie und Medizin
weiterentwickelt.
Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz (07/2022)
Publikation: Erik T. Van Dyke et al. Relayed Hyperpolarization for Zero-Field Nuclear Magnetic Resonance Science Advances, 20. Juli 2022 DOI: 10.1126/sciadv.abp9242 https://www.science.org/doi/full/10.1126/sciadv.abp9242