Chemiker entwickeln neue Mehrkomponentenreaktion |
Ein Forscherteam um Chemieprofessor Frank Glorius von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat es geschafft, sogenannte Ketylradikale für eine neue Mehrkomponentenreaktion zu nutzen. Diese kann zur umweltfreundlichen Herstellung nützlicher Verbindungen genutzt werden.
Eine nachhaltigere Nutzung chemischer Ressourcen ist Teil der Agenda
2030 der Vereinten Nationen. Synthetische Chemiker arbeiten daher
daran, effiziente Synthesen zu entwerfen und durchzuführen. Innerhalb
des synthetischen Arsenals des organischen Chemikers spielen Prozesse
eine zentrale Rolle, die mehrere Moleküle (Kupplungspartner) in einem
einzigen Schritt verknüpfen – sogenannte Mehrkomponentenreaktionen
(MCR). Diese gelten als nachhaltige und umweltfreundliche Technologien
für die schnelle Herstellung komplexer Strukturen und Arzneimittel in
einem einzigen Reaktionsschritt. Ein Forscherteam um Chemieprofessor Dr.
Frank Glorius (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) und Dr.
Huan-Ming Huang (WWU Münster und ShanghaiTech University) hat es nun
erstmals geschafft, sogenannte Ketylradikale für eine neuartige MCR zu
nutzen. Diese Studie wurde in der kürzlich gegründeten Fachzeitschrift
Nature Synthesis veröffentlicht.
„Ketylradikale sind sehr
wichtige Spezies in der synthetischen Chemie. Sie werden häufig bei der
Herstellung von strukturell komplexen Naturstoffen eingesetzt.
Katalytische chemische Umwandlungen, die Ketylradikale nutzen, sind
jedoch nach wie vor eine Herausforderung. Ihre Bildung erfordert oft
‚harsche‘ Reaktionsbedingungen mit einer hohen Temperatur. Die Radikale
können in ihren Reaktionswegen außerdem unselektiv sein, also schwer zu
steuern", erklärt Huan-Ming Huang.
Das Forscherteam setzte
Ketylradikale und eine durch sichtbares Licht angeregte
Palladiumkatalyse ein und schuf so eine MCR zwischen mehreren
Kupplungspartnern. Bei der Auswahl der Kupplungspartner (Aldehyde,
1,3-Diene und verschiedene Nukleophile) berücksichtigten die Forscher
verschiedene Aspekte: Welche Substanzen sind nötig, damit die Reaktion
stattfinden kann, welche sind leicht verfügbar und welche Produkte sind
nützlich?
"Es ist uns gelungen, Radikale des Ketyltyps zu zähmen,
indem wir sichtbares Licht mit geringen Mengen eines handelsüblichen
Palladiumkatalysators kombiniert haben", betont Mitautor Peter Bellotti.
"Dieser operativ einfache, redoxneutrale und damit umweltfreundliche
Ansatz könnte sich zu einer allgemeinen Plattform für die Konstruktion
sogenannter komplexer homoallylischer Alkoholmotive, einem in der
Synthesechemie häufig verwendeten Strukturmotiv, entwickeln. Die
einstufige Synthese von wichtigen Intermediaten, die weiter zu
wertvollen Produkten umgesetzt werden können, ist der Beweis für die
Vielseitigkeit dieses Ansatzes."
Zusätzlich zu den synthetischen
Möglichkeiten dieser Methode untersuchte das Team die mechanistischen
Feinheiten mittels einer kombinierten experimentellen mechanistischen
Analyse und Dichtefunktionaltheorie (DFT)-Berechnungen.
"Wir
gehen davon aus, dass die Kombination von sichtbarem Licht mit
Übergangsmetallen wie Palladium weitere unvorhergesehene synthetische
Umwandlungen jenseits der etablierten katalysierten Reaktionen
inspirieren könnte", bilanziert Frank Glorius.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=12637
Quelle: Westfälische Wilhelms-Universität Münster (06/2022)
Publikation: Huan-Ming
Huang, Peter Bellotti, Suhyeon Kim, Xiaolong Zhang, Frank Glorius
(2022): Catalytic multicomponent reaction involving a ketyl-type
radical. Nat. Synth; DOI: https://doi.org/10.1038/s44160-022-00085-6 |