Metallischer Fünfring verschiebt die Grenzen der Aromatizität |
Wie viele Atome kann ein aromatischer Ring haben, wenn er lediglich zwei Elektronen aufweist? Seit kurzem lautet die Antwort: Fünf! Einem Team aus der Chemie gelang erstmals durch die Kombination von Experiment und Theorie die Synthese und Beschreibung eines fünfgliedrigen Aromaten – einer wichtigen Stoffklasse in der Chemie. Damit ist erreicht, was seit Jahrzehnten probiert und zwischenzeitlich für unmöglich gehalten wurde.
Aromatische Verbindungen müssen nicht zwingend duften„Mit dem
Begriff aromatisch verbindet man normalerweise dem Duft einer
Verbindung. In der Chemie steht er aber auch für Verbindungen, die einen
Ring bilden, in dem sich Elektronen verteilen können. Das macht die
Ringe stabiler, weshalb Schätzungen zufolge etwa zwei Drittel der heute
bekannten chemischen Verbindungen ganz oder teilweise aromatisch sind“,
erläutert Kretschmer.
Die Aromatizität ist eines der
grundlegendsten Konzepte der Chemie und geht auf den deutschen Chemiker
August Kekulé zurück. Seit seinen ersten Arbeiten im Jahr 1865 versuchen
Forscherinnen und Forscher eine umfassende Definition zu finden und
entdecken dabei immer wieder neue Arten der sogenannten Aromatizität.
Damit ein Molekül als aromatisch gilt, muss es mindestens zwei
Elektronen aufnehmen und über den Ring verteilen. Meist sind es aber
deutlich mehr, nämlich zwischen sechs und bislang maximal 162
Elektronen. Während der Höchstrekord bezüglich der Anzahl der Elektronen
regelmäßig übertroffen wurde, ging man bislang davon aus, dass sich mit
den mindestens benötigen zwei Elektronen maximal Ringe mit vier Atomen
stabilisieren lassen. Denn je größer ein Ring wird, desto weniger
zusätzliche Elektronen stehen pro Atom zur Verfügung, weshalb der
stabilisierende Effekt immer kleiner wird.
Überraschendes Fazit: Zwei Elektronen können Ringe mit fünf Atomen stabilisierenDem
Team von Prof. Dr. Robert Kretschmer, der erst kürzlich die Professur
Anorganische Chemie an der TU Chemnitz übernommen hat, ist es nun
gelungen, diese Grenze zu verschieben. Sie synthetisierten eine
Verbindung, die als zentrales Strukturelement einen flachen Ring aus
fünf Gallium-Atomen enthält. „Als wir die Kristallstruktur vor Augen
hatten, waren wir ziemlich beeindruckt“, sagt Kretschmer, „denn die
Tatsache, dass der Ring flach ist und dass die Bindungen innerhalb des
Rings ähnliche Abstände aufweisen, sind schon deutliche Indizien für den
aromatischen Charakter des Moleküls“. Spektroskopische Untersuchungen
gaben dann weitere Hinweise auf dessen aromatische Natur. In Kooperation
mit den Forschungsgruppen von Oliver Dumele, in Berlin und Florian
Weigend in Marburg wurde das neue Molekül auch quantenchemisch
untersucht. Das Ergebnis: „Die Verbindung ist aromatisch, wenn auch nur
schwach, was jedoch erwartet werden kann, wenn sich zwei Elektronen auf
fünf Ringatome verteilen müssen“, so Kretschmer.
Als nächstes
wollen die Forscherinnen und Forscher in Berlin, Chemnitz und Marburg
die Reaktivität der neuen Verbindung genauer studieren und diese für die
Synthese neuartiger Komplexe verwenden.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.tu-chemnitz.de/tu/pressestelle/aktuell/11292
Quelle: Technische Universität Chemnitz (05/2022)
Publikation: A Planar Five-Membered Aromatic Ring Stabilized by Only Two π-Electrons..
Oleksandr Kysliak, Simon H. F. Schreiner, Niklas Grabicki, Phil Liebing,
Florian Weigend, Oliver Dumele, and Robert Kretschmer. Angewandte
Chemie International Edition 2022 DOI: 10.1002/anie.202206963 |