Corona-Impfung Genesener aktiviert Immunsystem gegen SARS-Coronaviren, nicht Corona-Erkältungsviren |
Mitarbeitende des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und der Goethe-Universität Frankfurt/Main untersuchten in einer Langzeitstudie die Antikörperantwort nach COVID-19-Erkrankung. Diese nahm über die Zeit gegen SARS-CoV-2 ab. Bei Studienteilnehmenden, die später mit dem mRNA-Impfstoff von BioNTech (Comirnaty) geimpft wurden, stieg der Antikörpertiter nicht nur gegen SARS-CoV-2 wieder an, sondern auch gegen mehrere SARS-CoV-2-Varianten und SARS-CoV-1, gegen die vorher keine Titer vorhanden waren. Unbeeinflusst blieb der Titer gegen das gewöhnliche Erkältungs-Coronavirus NL-63.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Barbara Schnierle,
Leiterin des Fachgebiets "AIDS, neue und neuartige Erreger" der
Abteilung "Virologie" des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), haben zusammen
mit Forschenden des Uniklinikums der Goethe-Universität Frankfurt/Main
eine Langzeitstudie zur humoralen, also Antikörper-vermittelten
Immunität bei vormals COVID-19-Erkrankten durchgeführt. Hierzu wurde die
Aktivität der Antikörper als Konzentration neutralisierender Antikörper
im Serum (Titer) gegen verschiedene Coronaviren mit Hilfe von
sogenannten Neutralisationstests bestimmt.
In der Studie wurden
Seren von 80 COVID-19-Patientinnen und -Patienten des Klinikums der
Goethe-Universität Frankfurt/Main untersucht, die im Zeitraum vom 5.
März bis 14. Juli 2020 erkrankten. 86 Prozent von ihnen waren leicht, 14
Prozent schwer erkrankt. 51 Frauen und 29 Männer im Alter von 18 bis 75
Jahren nahmen an der Studie teil.
Den Teilnehmenden der
Langzeitstudie wurde bis zu 537 Tage nach einem positiven PCR-Test Blut
entnommen. Bestimmt wurden nicht nur Antikörper gegen den ursprünglichen
Wuhan Stamm (Wildtyp) des Coronavirus SARS-CoV-2, sondern auch
Antikörper gegen das gewöhnliche Erkältungsvirus Coronavirus NL-63
getestet.
Im Laufe der Zeit nach COVID-19-Erkrankung nahm die
Konzentration (Titer) der gegen SARS-CoV-2 gerichteten neutralisierenden
Antikörper ab. Der Wert halbierte sich dabei im Mittel nach 140 Tagen.
Dies bestätigt das Ergebnis vergleichbarer Studien Anderer.
Keine Kreuzreaktion zwischen SARS-CoV-2 und einem Corona-Erkältungsvirus Im
Blut bzw. Serum der meisten Menschen können Antikörper gegen humane
Coronaviren, die gewöhnliche Erkältungen hervorrufen, nachgewiesen
werden. Es wurde befürchtet, dass bereits existierende Antikörper gegen
das Erkältungs-Coronavirus NL63 die Bildung von Antikörpern gegen
SARS-CoV-2 verhindern könnten, da nur Antikörper gegen homologe
(aminosäuresequenzgleiche) Epitope der Coronaviren induziert werden
könnten.
In der vorliegenden Studie wurde die Aktivität und
Konzentration (Titer) der Antikörper gegen das weit verbreitete
Coronavirus NL-63 untersucht. Auch hier reduzierte sich der Titer
neutralisierender Anti-NL-63-Antikörper mit einer Halbwertszeit im
Mittel von 218 Tagen, also etwas langsamer als die neutralisierenden
Antikörpertiter gegen SARS-CoV-2-Wildtyp nach COVID-19-Erkrankung.
Diese
Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Immunantwort im Sinne des
Anstiegs neutralisierender Antikörper gegen SARS-Coronaviren keinen
Einfluss auf die Neutralisation von Erkältungs-Coronaviren hat und somit
diese Bedenken ausgeräumt sind.
Ein Teil der
Studienteilnehmenden (13 Personen) wurde einige Zeit nach
COVID-19-Erkrankung geimpft. Bei ihnen wurde nach 35 Tagen (± 10 Tage)
untersucht, wie sich die Antikörperantwort gegen die Wildtyp-Variante
und die Virusvarianten Delta und Omikron des SARS-CoV-2 sowie gegen
SARS-CoV-1 und NL-63 vor und nach der Impfung entwickelte.
Impfung führt zu erneutem Anstieg der Antikörperantwort gegen SARS-Co-Viren, nicht jedoch gegen NL-63 Nach
der COVID-19-Impfung stiegen die Antikörpertiter gegenüber der
Wildtyp-, der Delta- und der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 sowie
gegenüber SARS-CoV-1 signifikant an. Die Impfung erzeugte jedoch keine
Antikörpertiter gegen das Coronavirus NL-63. Auch hier gibt es also
keinen Hinweis auf eine Kreuzreaktion (gegenseitige Beeinflussung) der
Immunantwort zwischen SARS-CoV-2 und NL-63. Das Spike-Protein von NL-63
unterscheidet sich deutlich von dem des SARS-CoV-2 (31 Prozent
identische Aminosäuresequenz). Dagegen stimmen die Spikeproteine von
SARS-CoV-2-Wildtyp mit SARS-CoV-1 (76 Prozent) bzw. den Varianten Delta
(99 Prozent) und Omikron (97 Prozent) stärker überein.
Die
untersuchten Patientinnen und Patienten erkrankten an COVID-19 in einem
Zeitraum, in dem die Omikron-Variante noch nicht verbreitet war. In
ihrem Blut bzw. Serum fanden sich keine Omikron-neutralisierenden
Antikörper nach der Infektion.
Die Langzeitstudie zeigt, dass die
Antikörperantwort nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 zwar mit der Zeit
langsam abklingt, jedoch durch eine nachfolgende COVID-19-Impfung
wieder aktiviert und erweitert werden kann. Die nach Impfung erzeugten
Antikörper waren in der Lage, im Labortest (in vitro) auch Varianten des
SARS-CoV-2, teilweise auch die Virusvariante Omikron, sowie SARS-CoV-1
zu neutralisieren.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.pei.de/DE/newsroom/pm/jahr/2022/10-corona-impfung-genesene-aktiviert-immunsystem-gegen-sars-coronaviren.html
Quelle: Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (05/2022)
Publikation: Hastert
FD, Henss L, von Rhein C, Gerbeth J, Wieters I, Borgans F, Khodamoradi
Y, Zacharowski K, Rohde G, Vehreschild MJGT, Schnierle B (2022):
Longitudinal Analysis of Coronavirus-Neutralizing Activity in COVID-19
Patients. Viruses Apr 23 [Epub ahead of print]. DOI: https://doi.org/10.3390/v14050882 |