Neue Sensoren erlauben die genaue Messung des Botenstoffs Dopamin |
Dopamin ist ein bedeutendes Signalmolekül für Nervenzellen. Bisher ließ sich seine Konzentration räumlich und zeitlich nicht genau bestimmen. Dank eines neuen Verfahrens ist das jetzt möglich: Ein Forschungsteam aus Bochum, Göttingen und Duisburg nutzte dafür modifizierte Kohlenstoff-Nanoröhren, die in der Gegenwart des Botenstoffs Dopamin heller leuchten. Mit diesen Sensoren ist es gelungen, die Freisetzung von Dopamin aus Nervenzellen mit bisher nicht erreichter Auflösung sichtbar zu machen.
Fluoreszenz verändert sich in Anwesenheit von Dopamin
Mit
dem Botenstoff Dopamin wird unter anderem das Belohnungszentrum des
Gehirns gesteuert. Funktioniert diese Signalübertragung nicht mehr, kann
es zu Erkrankungen wie Parkinson kommen. Außerdem werden die chemischen
Signale durch Drogen wie Kokain verändert und spielen eine Rolle bei
Suchterkrankungen. „Allerdings gab es bisher keine Methode, mit der man
die Dopaminsignale gleichzeitig mit hoher räumlicher und zeitlicher
Auflösung sichtbar machen konnte“, erläutert Sebastian Kruss, Leiter der
Gruppe Funktionale Grenzflächen und Biosysteme an der RUB und Mitglied
im Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation, kurz RESOLV, und dem
Graduiertenkolleg International Graduate School of Neuroscience (IGSN).
Hier
kommen die neuartigen Sensoren ins Spiel. Sie basieren auf sehr dünnen
Röhren aus Kohlenstoff, etwa 10.000-mal dünner als ein menschliches
Haar. Bestrahlt man sie mit sichtbarem Licht, leuchten sie anschließend
im Nah-Infrarotbereich mit Wellenlängen von 1.000 Nanometern und mehr.
„Dieser Bereich des Lichts ist für Menschen nicht sichtbar, kann aber
tiefer in Gewebe eindringen und somit bessere und schärfere Bilder
liefern als sichtbares Licht“, so Kruss. Außerdem existieren in diesem
Bereich wesentlich weniger Hintergrundsignale, die das Ergebnis
verfälschen können.
„Wir haben diese Eigenschaft durch Bindung
verschiedener kurzer Nukleinsäuresequenzen an die Kohlenstoff-Nanoröhren
systematisch so modifiziert, dass sie ihre Fluoreszenz ändern, wenn sie
mit definierten Molekülen in Kontakt kommen“, erklärt Sebastian Kruss.
So ist es seiner Arbeitsgruppe gelungen, Kohlenstoff-Nanoröhren zu
winzigen Nanosensoren zu machen, die zum Beispiel spezifisch an Dopamin
binden und je nach Dopaminkonzentration mehr oder weniger stark
fluoreszieren. „Dass solche Sensoren für die Neurobiologie interessant
sein würden, war uns sofort klar“, meint Kruss.
Gesunde Nervenzellen mit Sensorschicht bemalen
Dafür
müssen die Sensoren aber in die Nähe von funktionsfähigen neuronalen
Netzwerken gebracht werden. Dr. Sofia Elizarova und James Daniel vom
Göttinger Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften
entwickelten dafür Zellkulturbedingungen, bei denen die Nervenzellen
gesund bleiben und mit einer extrem dünnen Schicht aus Sensoren bemalt
werden können. Damit konnten die Forschenden zum ersten Mal einzelne
Dopamin-Freisetzungsereignisse entlang der neuronalen Strukturen
sichtbar machen und Einblicke in die Mechanismen der Dopamin-Freisetzung
gewinnen.
Kruss, Elizarova und Daniel und sind vom Potenzial der
neuen Sensoren überzeugt: „Sie ermöglichen neue Erkenntnisse über die
Plastizität und Regulation von Dopaminsignalen“, sagt Sofia Eizarova.
„Langfristig könnten sie auch Fortschritte bei der Behandlung von
Erkrankungen wie Parkinson möglich machen.“ Außerdem werden momentan
weitere Sensoren entwickelt, mit denen andere Signalmoleküle sichtbar
gemacht werden können – bis hin zur Identifikation von
Krankheitserregern.
Den Artikel finden Sie unter:
https://news.rub.de/wissenschaft/2022-05-27-physikalische-chemie-neue-sensoren-erlauben-die-genaue-messung-des-botenstoffs-dopamin
Quelle: Ruhr-Universität Bochum (05/2022)
Publikation: Sofia
Elizarova, Abed Chouaib, Ali Shaib, Björn Hill, Florian Mann, Nils
Brose, Sebastian Kruss, James A. Daniel: A fluorescent nanosensor paint
reveals the heterogeneity of dopamine release from neurons at individual
release sites, in: PNAS, 2022, DOI: 10.1073/pnas.2202842119 |