Zellen mit dem Laser steuern |
Es ist eines der größten Probleme beim Herstellen von künstlichem Gewebe: Wie schafft man es, die einzelnen Zellen an den richtigen Ort zu dirigieren, etwa wenn ein Blutgefäß an einer ganz bestimmten Stelle entstehen soll? An der TU Wien ist dieses Kunststück nun gelungen: Das Hydrogel, in dem sich die Zellen befinden, wird mit ganz speziellen Molekülen angereichert, die dann mit einem Laserstrahl aktiviert werden können. Genau an diesen Stellen wird das Hydrogel dann weicher und durchlässiger, so kann man genau bestimmen, wohin sich die Zellen bewegen sollen.
Die neue Technik ist besonders für die tierversuchsfreie
Pharma-Forschung interessant: Mit dieser Laser-Methode kann man auf
reproduzierbare Weise spezielle Gewebesysteme herstellen, die man dann
unter genau kontrollierten Bedingungen am Chip untersucht, etwa um neue
Medikamente zu testen.
Wie ein Gummibärchen im Wasser„Beim
Herstellen von Gewebe beginnt man oft mit lebenden Zellen, die in ein
Hydrogel eingebettet sind“, sagt Prof. Aleksandr Ovsianikov, Leiter der
Forschungsgruppe 3D Printing and Biofabrication an der TU Wien. Das
Hydrogel ist ein biokompatibles Material, mit Eigenschaften, die denen
von Gewebe sehr ähnlich sind. „Vergleichbar mit einem aufgequollenen
Gummibärchen, das sich mit Wasser vollgesogen hat“, erklärt Ovsianikov.
Die Zellen können durch das Hydrogel hindurchwandern und ein Gewebe
bilden. Es wäre jedoch wünschenswert, diesen Prozess kontrollieren zu
können und zu erreichen, dass sich die Zellen dabei an einen
vorgegebenen Bauplan halten.
In der Forschungsgruppe für
3D-Printing und Biofabrication hat man dem Hydrogel nun allerdings ganz
spezielle Moleküle hinzugefügt. Normalerweise verändern sie das
Verhalten des Hydrogels nicht, aber wenn sie mit einem Laser aktiviert
werden, dann wird genau an dieser Stelle das Hydrogel weicher und
durchlässiger. „Das Molekül koppelt sich ans Netzwerk des Hydrogels, an
dieser Stelle wird das Netzwerk hydrophiler. Dadurch ändern sich die
physikalischen Eigenschaften, und auf diese Weise ist es möglich, ein
3D-Muster zu erzeugen, durch das die Zellen leichter durchwandern können
als anderswo“, erklärt Simon Sayer (TU Wien).
Im Experiment gab
man auf diese Weise mit dem Laserstrahl bestimmte Wege im Hydrogel vor –
und tatsächlich bewegten sich die Zellen dann genau auf diesen Pfaden.
So konnte man stern- oder gitterförmige Zellstrukturen herstellen.
Human on a ChipIm
Fokus dieser Forschung steht vorerst nicht unbedingt die Erzeugung
künstlicher Organe, sondern eine Technologie, die oft „Organ on a Chip“
oder auch „Human on a Chip“ genannt wird: Man erzeugt Gewebeteile, die
dann auf einem wenige Zentimeter großen Chip miteinander interagieren,
auf hochpräzise Weise mit ganz bestimmten Nährstoffen oder auch mit
pharmazeutischen Präparaten versorgt werden können. Auf diese Weise kann
man wichtige Information über die Wirkung von Medikamenten sammeln,
ohne auf Tierversuche zurückgreifen zu müssen. Außerdem kann man mit
menschlichen Zellen arbeiten, die Resultate werden dadurch viel
aussagekräftiger.
„Das funktioniert aber nur dann, wenn wir die
Eigenschaften dieser Gewebe exakt steuern können“, sagt Tommaso Zandrini
(TU Wien). „Erstens müssen diese Experimente reproduzierbar sein, daher
möchte man mehrere Gewebeproben mit genau derselben Mikrostruktur, und
zweitens müssen die unterschiedlichen Proben auch genau aufeinander
abgestimmt werden können – etwa wenn man die Wechselwirkung zwischen
einem kleinen Stück Herzmuskelgewebe und einem kleinen Stück Lebergewebe
untersucht.“ Um den Zusammenhang genau zu verstehen, müssen sich
Strukturen wie etwa Blutgefäße genau an der richtigen Stelle befinden.
Das wird nun mit der Laser-Steuerungsmethode möglich. Die erreichbare
Komplexität maßgeschneiderter Gewebeproben kann damit drastisch erhöht
werden.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles/news/news/zellen-mit-dem-laser-steuern
Quelle: Technische Universität Wien (05/2022)
Publikation: S. Sayer et al., Guiding cell migration in 3D with high-resolution photografting, Scientific Reports 12, 8626 (2022). https://www.nature.com/articles/s41598-022-11612-y |