Fachkräftemangel im Labor: Hohe Motivation trifft auf sinkende Bewerberzahlen
Eine Umfrage des Hamburger Laborprodukteherstellers Starlab International unter 2.000 Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 Jahren aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich zeigt: Zwar halten viele Jugendliche Laborjobs für sinnhaft, sicher und systemrelevant - allerdings fehlt den meisten eine genaue Vorstellung und der Zugang zu dem Thema. Ein weiteres Problem: Ausgerechnet die Naturwissenschaften der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) bleiben auf der Strecke. Jugendliche mit naturwissenschaftlicher Begabung und entsprechenden Noten suchen sich Berufe in Unternehmensberatungen, Programmierschmieden oder in der Fahrzeugindustrie. Die Norm: Bain & Company und BMW statt Biotech.
Stereotype überwiegen: Viele denken nur an Blut- und Urinproben
So
unterschiedlich und vielfältig Berufe im Labor sind, so sehr verbinden
viele Jugendliche das Betätigungsfeld im Labor mit dem Job des
medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten. An erster Stelle
assoziieren sie mit der Laborarbeit die Analyse von Blut und Urin in
einer Arztpraxis (58 Prozent), als Zweites den Nachweis von Mikroben im
Trinkwasser (49 Prozent), gefolgt von der Erfindung des nächsten
mRNA-Impfstoffs (37 Prozent). Am wenigsten dagegen verbinden sie mit der
Arbeit die Heilung von Krebs (27 Prozent). "Ein Grund des
Nachwuchsmangels scheint, dass die Mehrheit mit der Arbeit im Labor nur
ein stereotypes Berufsbild assoziiert. Es ist das Bild, das sie bei fast
jedem Arztbesuch sehen können und aus dem Fernsehen kennen. Außerdem
denken viele Jugendliche, dass die Arbeit im Labor nur mit sehr guten
Noten erreichbar ist", kommentiert Starlab-CEO Klaus Ambos. Die Umfrage
zeigt: Knapp vier von zehn Jungendlichen (37,2 Prozent) machen eine
berufliche Laufbahn im Labor von den Noten abhängig.
Ungenutzte Chance: die Corona-Pandemie
Die
seit zwei Jahren andauernde Corona-Berichterstattung rund um PCR-Tests,
Testmangel und überlastete Labore hat kaum dazu beigetragen, dass
Schüler und Schulabgänger Labor- und Wissenschaftsberufe verstärkt auf
dem Schirm haben oder attraktiver finden. Im Gegenteil: 22 Prozent der
Befragten erklären, dass sie genauso viel über die Arbeit in den Laboren
wissen wie vor Corona. Weitere 12 Prozent geben an, überhaupt kein Bild
von der Arbeit in den Laboren zu haben. "Vom Zukunftsfeld
Digitalisierung über die aus ökologischer und nun auch politischer Sicht
unumgängliche Energiewende und Themen wie Klimawandel, Biodiversität
oder Ressourcen- und Lebensmittelknappheit bis hin zu demografischen
Herausforderungen: Vielen Jugendlichen ist gänzlich unbewusst, dass alle
großen Zukunftsthemen naturwissenschaftlicher Lösungen bedürfen", sagt
Ambos. Ihm zufolge könnten die ungenutzten Chancen zur Rekrutierung von
Fachkräften dem Forschungsstandort Deutschland - auch im internationalen
Wettbewerb - auf lange Sicht zum Verhängnis werden.
Systemrelevanz: sinnhafte Arbeit mit viel Verantwortung
Mehr
Sinn, mehr Gemeinwohl, mehr Selbstbestimmung: Die Erfindung des
mRNA-Impfstoffs könnte zwar als Inbegriff für die beruflichen
Präferenzen der Generation Z gelten. 75,2 Prozent der Teens halten die
Tätigkeiten im Labor für sinnhaft. Weitere 71,4 Prozent messen den Jobs
viel Verantwortung zu. Das spiegelt sich aber nicht in den
Bewerberzahlen wider. Demnach fehlen laut MINT-Report des Instituts der
Deutschen Wirtschaft aktuell rund 280.000 Fachkräfte. "Wir verzeichnen
seit fünf Jahren rückläufige Bewerberzahlen", sagt auch Dr. Oliver
Zschenker, Schulleiter der School of Life Science Hamburg. Weder die
Corona-Pandemie noch namhafte Auszeichnungen wie das
Bundesverdienstkreuz für den Biontech-CEO Ugur Sahin haben daran etwas
geändert. Dabei hat sich die Corona-Pandemie laut Starlab-Umfrage ganz
klar auf die Berufswahl der Jugend ausgewirkt. 29 Prozent der Teenager
haben eine andere berufliche Präferenz als vor der Pandemie. Sieben von
zehn (70,9 Prozent) Jugendlichen erklären, dass ihnen die Arbeit im
Labor Spaß bereiten würde.
Mehr MINTspiration braucht die Jugend
Laut
der Starlab-Erhebung muss es gelingen, die kindliche und jugendliche
Begeisterung für die MINT-Fächer in berufliche Lebenswege in den Life
Sciences zu übertragen. Die Ausgangslage ist vielversprechend. Für 23,2
Prozent der befragten Jugendlichen in Deutschland steht das Themengebiet
MINT in der Schule vor Deutsch, Fremdsprachen, Sport, den musischen
oder gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Innerhalb der MINT-Gruppe
geben vier von zehn (39,7 Prozent) an, durch die eigene Neigung zum
Thema MINT auf die Fächer aufmerksam geworden zu sein, dicht gefolgt von
den Lehrern (28,4 Prozent). An dritter Stelle folgen die Medien mit
knapp 15,5 Prozent in Form von bekannten Wissenschaftlern (5,2 Prozent),
Social-Media-Influencern (6,9 Prozent) und charismatischen
Persönlichkeiten wie etwa Bill Gates oder Elon Musk (3,4 Prozent). Mit
12,5 Prozent folgt anschließend das direkte Umfeld der Jugendlichen in
Form von Familie (7,3 Prozent) und Freunden (5,2 Prozent), das die
Teenager auf die MINT-Themen aufmerksam gemacht haben.
Eine
ähnliche Statistik zeigen auch die Einflussfaktoren bei der Berufswahl
der Jugendlichen. Sieben von zehn Befragten (70,1 Prozent) treffen ihre
Berufswahl aufgrund persönlicher Interessen und Neigungen. Die Hälfte
(50,9 Prozent) gibt an, durch die Familie beeinflusst zu werden. Auf den
Plätzen drei und vier rangieren dagegen die Impulse aus der Kindheit in
Form von Büchern, Idolen und Spielzeugen (40,7 Prozent) sowie die
Schule (40,3 Prozent). "Die Umfrageergebnisse lassen die Vermutung zu,
dass die Jugendlichen an einem gewissen Punkt im Schulalter das
intrinsische Interesse für MINT verlieren und den Karriereverlauf anhand
von Kriterien wie Renommee, Gehalt und Work-Life-Balance bestimmen. Um
den Forschungsstandort Deutschland und die hiesige Life-Science-Branche
am Leben zu erhalten, ist es umso wichtiger, die ohnehin kaum sichtbaren
Berufe im Labor sichtbarer zu machen. Die Begehung des Welttages des
Labors am 23. April, der in vielen anderen Ländern längst ein wichtiger
Aktionstag ist, wäre ein guter Anfang", resümiert Klaus Ambos.
Über die Umfrage
Die
Umfrage wurde im März 2022 von dem mit ISO 20252 zertifizierten
Panelanbieter Cint durchgeführt. Cint verfügt über das weltweit größte
Panelisten-Netzwerk für digitale, umfragebasierte Forschung, das aus
über 149+ Millionen aktiven Teilnehmenden in mehr als 130 Ländern
besteht. Im Rahmen der Befragung wurden 1.000 Jugendlichen aus
Deutschland und 1.000 Jugendlichen aus England zwischen 16 und 19 Jahren
in Deutschland befragt.