MCM-Moleküle begrenzen die Bildung von DNA-Schleifen
Das genomische Material einer Zelle muss so in einen winzigen Zellkern verpackt werden, dass es einerseits geordnet ist und andererseits nach Bedarf abgelesen, verdoppelt oder repariert werden kann. Für eine platzsparende Verpackung sind Proteine verantwortlich, die die DNA aufrollen oder auch in Schleifen legen können. Die Wissenschaftler Kikuë Tachibana und Karl Duderstadt des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried erforschen die Aufgabe und Funktionsweise dieser molekularen Maschinen. Wie sie herausfinden konnten, spielt der MCM-Komplex eine wichtige Rolle bei der Begrenzung der Schleifenbildung und somit auch bei der dreidimensionalen Struktur des Genoms und der Genregulation.
Ein DNA-Molekül ist etwa zwei Meter lang und muss trotzdem in einem
winzigen Zellkern verpackt werden. Ein Zellkern ist ungefähr so groß wie
ein Tonerpartikel eines Druckers oder ein Feinstaubpartikel. Wie
funktioniert das? Wie kann die Erbinformation einerseits gespeichert und
verpackt, andererseits aber auch abgelesen werden? Wie wird sie in
Schleifen gelegt? Auch das Ver- und Entpacken sind dynamische Prozesse,
die schnell und reibungslos ablaufen müssen.
Jetzt haben Kikuë
Tachibana, neue Direktorin der Abteilung „Totipotenz“ am MPIB und ihr
Team entdeckt, dass ein Proteinkomplex, der für seine Funktion bei der
DNA-Vervielfältigung bekannt ist, eine unerwartete Rolle bei der Faltung
des Genoms spielt. Tachibana erinnert sich: „Während eines Symposiums
am MPIB stellte sich heraus, dass mein neuer Kollege Karl Duderstadt und
ich ein gemeinsames Interesse teilen. Wir beschlossen, unsere Kräfte zu
bündeln, um mit komplementären Ansätzen diese ersten Beobachtungen auf
mechanistischer Ebene zu untersuchen.“ Karl Duderstadt ist Leiter der
Forschungsgruppe „Struktur und Dynamik molekularer Maschinen“.
Begrenzung der DNA-Schleifenbildung
Bei
der Schleifenbildung, auch Schleifenextrusion genannt, sind vor allem
drei Proteine bzw. Proteinkomplexe beteiligt: erstens Cohesin, zweitens
das Zinkfingerprotein CTCF und drittens der MCM. Der Proteinkomplex
Cohesin bindet sich an die DNA und leitet die Bildung einer Schleife
ein. Cohesin wickelt dabei die DNA auf, was zu einem progressiven
Wachstum der Schleife führt. Die Schleifenbildung wird gestoppt, wenn
Cohesin auf das DNA-gebundene Protein CTCF trifft.
In der
aktuellen Studie konnten die Forschenden nun gemeinsam den
Minichromosomen-Erhaltungskomplex (MCM) als eine neue Klasse von
Barrieren bei der DNA-Schleifenbildung identifizieren.Vor dieser Arbeit
war CTCF die einzige bekannte Barriere für die Schleifenbildung. „Auch
wenn sich die Details unterscheiden, kann man sich vorstellen, dass es
ein wenig so ist, als würde man einen Ring auf ein Band legen und das
Band durch den Ring fädeln, der an der Basis der Schleife verbleibt“,
sagt Matthias Scherr, einer der Erstautoren der Studie.
Kikuë
Tachibana erklärt: „Im Gegensatz zu CTCF, das eine wirbeltierspezifische
Barriere ist, sind MCMs über Eukaryoten und Archaeen hinweg
konserviert. Es ist daher faszinierend, dass es sich dabei um eine
uralte Barriere für die Schleifenextrusion handeln könnte.“ Die Arbeit
eröffnet die Möglichkeit, dass das Zusammentreffen von
loop-extrudierenden Cohesin-Komplexen mit MCM-Komplexen Teil eines
grundlegenden Mechanismus ist, der die Genomfaltung einer Vielzahl von
Lebewesen reguliert.
Karl Duderstadt fasst zusammen: „Unsere
Entdeckung war nur durch die Bildung eines internationalen Teams
möglich, das über Fachwissen in einem breiten Spektrum von Bereichen
verfügt. Diese Arbeit ist ein Beweis dafür, was möglich ist, wenn man
Brücken zwischen verschiedenen Bereichen schafft. Ich bin überzeugt,
dass wir noch viele weitere Überraschungen erleben werden, wenn wir das
Netzwerk von Wechselwirkungen, das die Chromosomenorganisation steuert,
noch intensiver erforschen.“
Quelle: Max-Planck-Institut für Biochemie (05/2022)
Publikation: B.J.H.
Dequeker*, M.J. Scherr*, H.B. Brandão, J. Gassler, S. Powell, I.
Gaspar, I.M. Flyamer, A. Lalic, W. Tang, R. Stocsits, I.F. Davidson,
J.-M. Peters , K. E. Duderstadt#, L. A. Mirny#, K. Tachibana#: MCM
complexes are barriers that restrict cohesin-mediated loop extrusion.
Nature, Mai 2022 *geteilte Erstautorenschaft #Korrespondierende Autoren DOI: 10.1038/s41586-022-04730-0 https://www.nature.com/articles/s41586-022-04730-0