Struktur eines Schlüsselproteins für die Zellteilung gibt Forschenden Rätsel auf |
An der menschlichen Zellteilung sind Hunderte von Proteinen beteiligt. Mit Kenntnis der 3D-Struktur dieser Proteine können wir verstehen, wie unser genetisches Material dupliziert und über Generationen hinweg weitergegeben wird. Die Gruppen um Andrea Musacchio und Stefan Raunser am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund konnten nun die erste detaillierte Struktur eines Schlüsselproteinkomplexes für die menschliche Zellteilung, auch CCAN genannt, aufdecken. Mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie zeigen die Forschenden wichtige Merkmale der 16 Komponenten des Komplexes und stellen bisherige Annahmen über die Bindung des Komplex an das Zentromer auf dem Chromosom in Frage.
Im Zentrum der ZellteilungDas Zentromer ist eine Einschnürung
im Chromosom, die aus DNA und Proteinen besteht. Vor allem aber ist das
Zentromer die Andockstelle für das Kinetochor, eine Maschinerie aus etwa
100 Proteinen, die bei der Zellteilung die Trennung zweier identischer
Chromosomen und deren Weitergabe an die Tochterzellen steuert. Vorherige
Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass das Kinetochor über den
CCAN-Komplex an das Zentromer andockt: CCAN interagiert dabei mit dem
Zentromerprotein A, das Schlüsselprotein des Zentromers. CCAN ist auch
dafür verantwortlich, das Zentromerprotein A nach der Zellteilung wieder
zu regenerieren. Die Einzelheiten der Interaktion zwischen CCAN und dem
Zentromerprotein A sind jedoch noch nicht bekannt. "Wenn wir verstehen,
wie CCAN das Zentromer erkennt und es bindet, könnten wir
möglicherweise ein Zentromer von Grund auf neu bauen", sagt Musacchio.
Das Zentromer stellt eine große Hürde für synthetische Biologen dar, die
künstliche Chromosomen entwickeln wollen, um fehlende Funktionen
wiederherzustellen oder neue Funktionen in Zellen einzuführen.
Ungelöste Fragen im ZellkernForschende
entdeckten den CCAN-Komplex vor über 15 Jahren. „Der Aufbau einer
Produktionsstraße zur Synthese aller Proteine in vitro war jedoch ein
großes Hindernis“, sagt Musacchio. Nachdem er eine erste Rekonstitution
des menschlichen CCAN-Komplexes in vitro erreicht hatte, schloss er sich
mit Stefan Raunser, ebenfalls am MPI Dortmund, zusammen, der den
gesamten CCAN-Proteinkomplex mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie
untersucht hat.
In der neuen Publikation konnten die beiden
MPI-Gruppen die strukturellen Details des menschlichen CCAN-Komplexes
bestimmen und seine einzigartigen Eigenschaften und die Auswirkungen auf
die Interaktion mit dem Zentromerprotein A aufzeigen. "Entgegen den
Erwartungen erkennt diese Struktur das Zentromerprotein A nicht direkt
in der Standardkonfiguration", sagt Musacchio. Das Zentromerprotein A
ist üblicherweise mit der DNA und anderen Proteinen als Nukleosom
verpackt, der Standardeinheit des genetischen Materials. Die Autoren
vermuten nun, dass das Zentromerprotein A in einer anderen Konfiguration
in das Zentromer eingebettet sein könnte, die die entscheidende
Interaktion mit CCAN möglicherweise erleichtert. Als nächstes planen sie
die Bedingungen zu ermitteln, die zu dieser neuen Konfiguration führen
könnten, und ihre Hypothese zu beweisen.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.mpi-dortmund.mpg.de/aktuelles/schluesselprotein-zellteilung
Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie (05/2022)
Publikation: Pesenti
ME, Raisch T, Conti D, Walstein K, Hoffmann I, Vogt D, Prumbaum D,
Vetter IR, Raunser S, Musacchio A. Structure of the human inner
kinetochore CCAN complex and its significance for human centromere
organization. Mol Cell. 2022 May 6:S1097-2765(22)00390-2. doi:
10.1016/j.molcel.2022.04.027 |