Forschung am Rohstoff-Dilemma: Hochtechnologie-Metalle Germanium und Gallium aus der Tiefsee?
Germanium und Gallium sind zwei Metalle, die für moderne Hochtechnologien von großer Bedeutung sind. Beide sind wichtige Rohstoffe für die Halbleiterindustrie, für Glasfaserkabel und für die Photovoltaik. Sie sind damit essentielle Komponenten für die Gestaltung der Elektromobilität und Energiewende. Mit neuen Analysemethoden hat die Arbeitsgruppe „CritMET: Critical Metals for Enabling Technologies“ um Dr. Michael Bau, Professor für Geochemie an der Bremer Jacobs University, die Verteilung von Germanium und Gallium in Eisen-Mangan-Krusten der Tiefsee untersucht.
Im Jahr 2020 stammten 66 Prozent der weltweiten Germaniumproduktion
aus China; für Gallium ist die chinesische Marktbeherrschung mit 97
Prozent noch größer. Aufgrund dieser Abhängigkeit und den damit
verbundenen Risiken für die Rohstoffversorgung haben sowohl die
US-amerikanische Regierung als auch die Europäische Union diese Metalle
in ihre Listen der kritischen Rohstoffe aufgenommen. Mit großem Aufwand
wird weltweit nach Lagerstätten gesucht, zumal die Nachfrage nach diesen
Metallen in den nächsten Jahren dramatisch zunehmen wird. Doch die
Rohstoffsuche gestaltet sich schwierig, und so rücken auch
unkonventionelle Vorkommen ins Scheinwerferlicht.
Eine
Möglichkeit, die weltweite Versorgung mit kritischen Rohstoffen zu
sichern, könnte der Tiefseebergbau sein. Zwar ist er einerseits wegen
seiner unklaren Auswirkungen auf die Umwelt umstritten, andererseits
könnte er eine Vielzahl an Metallen liefern, ohne die etwa
klimapolitische Ziele wie die Energiewende nicht realisierbar sind.
Recycling ist für kritische Rohstoffe in absehbarer Zeit noch keine
Lösung, da diese Metalle bisher noch nicht in größeren Mengen genutzt
wurden.
Die Arbeitsgruppe „CritMET: Critical Metals for Enabling
Technologies”, die an der Jacobs University im Studienprogramm „Earth
and Environmental Science and Technology“ angesiedelt ist, untersucht
sowohl potentielle Rohstoffquellen als auch das Umweltverhalten
kritischer Rohstoffe wie der Seltenen Erden, Germanium und Gallium. Die
jetzt veröffentlichten Artikel fassen die Forschungsergebnisse der
Gruppe um Katharina Schier und David Ernst, den Professoren Michael Bau
und Dieter Garbe-Schönberg sowie nationalen und internationalen
Kooperationspartnern zusammen.
Die untersuchten
Eisen-Mangan-Krusten bilden sich sehr langsam am Meeresboden der
Tiefsee. Dabei fangen sie eine Vielzahl im Meerwasser gelöster Metalle
ein und reichern diese an. Mit neuen Analysemethoden gelang es der
Arbeitsgruppe, die Konzentrationen von Gallium und Germanium in solchen
Krusten verlässlich zu bestimmen. Die Ergebnisse sind für die
geochemische Grundlagenforschung von großer Bedeutung, denn sie helfen
den Transport von Metallen vom Festland in die Ozeane besser zu
verstehen.
Für die angewandte Forschung sind sie allerdings eher
ernüchternd: Die Gehalte an Gallium und Germanium sind zu niedrig, um
die Krusten in absehbarer Zeit zu einer Rohstoffquelle für diese Metalle
zu machen. Aber die Ergebnisse haben auch eine positive Seite, denn die
Forschenden konnten zeigen, wie effektiv Gallium und Germanium an
Eisenoxide angelagert werden und dass sie damit effektiv aus dem Wasser
und somit aus der Umwelt entfernt werden können. Da alle kritischen
Metalle durch die dramatisch steigende Verwendung in immer größeren
Mengen in die Umwelt und damit in Flüsse, Seen und ins Grundwasser
gelangen, werden Verfahren, mit denen dies verhindert oder das Wasser
wieder gereinigt werden kann, immer wichtiger. Der Einsatz von
Eisenoxiden könnte hier für Germanium und Gallium eine einfache und
relativ preiswerte Lösung sein.
Publikation: Schier,
K., Ernst, D.M., Moreno Cordeiro de Sousa, I., Garbe-Schönberg,
D.,Kuhn, T., Hein, J.R., Bau, M. 2021. Gallium-aluminum systematics of
marine hydrogenetic ferromanganese crusts: Inter-oceanic differences and
fractionation during scavenging. Geochimica et Cosmochimica Acta 310,
187–204. https://doi.org/10.1016/j.gca.2021.05.019
Ernst,
D.M., Schier, K., Garbe-Schönberg, D., Bau, M., 2022. Fractionation of
germanium and silicon during scavenging from seawater by marine Fe
(oxy)hydroxides: Evidence from hydrogenetic ferromanganese crusts and
nodules. Chemical Geology 595, 120791 https://doi.org/10.1016/j.chemgeo.2022.120791