Eine unerwartete Anziehung von Nukleinsäuren und Fett
Dresdner Wissenschaftler finden heraus, dass Lipide die RNA-Aktivität modulieren – ein möglicher Hinweis auf den Ursprung des Lebens und ein Werkzeug für die synthetische Biologie. Alle Zellen sind von einer Fettschicht aus Lipiden umhüllt. Lipidmembranen schützen den Inhalt der Zellen, einschließlich genetischer Informationen wie RNA und DNA. Eine neue Studie der Forscher am B CUBE - Center for Molecular Bioengineering der TU Dresden zeigt, wie Lipide und RNA direkt interagieren und wie diese Interaktion die RNA-Aktivität reguliert. Die Studie könnte erklären, wie RNA in ursprünglichen oder synthetischen biologischen Systemen reguliert wird, und zu Verbesserungen bei der Entwicklung von RNA-Impfstoffen führen.
Lipide und RNA sind zwei der wichtigsten Bausteine von Zellen. Die
Ribonukleinsäure (RNA) ist ein vielseitiges Molekül. Genau wie die DNA
kodiert die RNA genetische Informationen, die für die Replikation des
Lebens unerlässlich sind. Andererseits führen RNA-Moleküle, genau wie
Proteine, chemische Reaktionen durch. Ein Molekül, das sowohl die
Information tragen als auch die Anweisungen durch chemische Reaktionen
ausführen kann, ist eine attraktive Eigenschaft für die synthetische
Biologie, in der versucht wird, minimal lebende Systeme von Grund auf
aufzubauen. Die Suche nach einem einfachen Weg zur Kontrolle der
RNA-Aktivität war jedoch schon immer eine große Herausforderung.
In
einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht
wurde, haben Tomasz Czerniak und James Sáenz entdeckt, dass Lipide die
Aktivität von RNA in einem einfachen synthetischen System direkt
modulieren können. „Dies eröffnet neue Möglichkeiten, wie wir
RNA-Lipid-Wechselwirkungen für das Bioengineering nutzen können, zum
Beispiel für die Verabreichung von mRNA-Therapien", sagt Dr. James
Sáenz, Forschungsgruppenleiter am B CUBE - Center for Molecular
Bioengineering und leitender Autor der Studie. Darüber hinaus kann diese
Arbeit auch dazu beitragen, Hinweise auf den Ursprung des Lebens in der
Urzeit zu erhalten. Eine verbreitete Hypothese zur Entstehung des
Lebens besagt, dass das Leben wahrscheinlich aus selbstreplizierenden
RNA-Molekülen entstanden ist, Jahre vor der Entwicklung von DNA und
Proteinen. In diesem Fall wäre die einfache und wirksame Modulation der
RNA-Aktivität der Schlüssel für die Organisation des frühen Lebens auf
einer urzeitlichen Erde. Die RNA-Lipid-Welt
Die
Wissenschaftler testeten, wie gut verschiedene Arten von RNA-Molekülen
mit Lipidmembranen interagieren. Sie fanden heraus, dass einige RNAs die
Lipide besser binden als andere und dass dies von der Sequenz und der
Struktur des RNA-Moleküls abhängt. Insbesondere Guanin – einer der vier
Bausteine, aus denen RNA besteht – war für die Bindung der RNA an die
Lipide entscheidend. Das Hinzufügen zusätzlicher Guaninketten zu den
RNAs machte diese noch haftender und bot eine Möglichkeit, die Stärke
der RNA-Lipid-Wechselwirkungen zu kontrollieren.
Es stellte sich
heraus, dass Guanin nicht nur die RNA-Lipid-Bindung direkt verstärkt,
sondern sie auch klebriger macht, indem es die Faltung von RNAs in
verschiedene Strukturen fördert. Eine solche Struktur, ein so genannter
G-Quadruplex, kommt in Zellen vor und ist als wichtiges Element der
RNA-Aktivität und -Regulierung bekannt. „Dies wirft die Möglichkeit auf,
dass RNA-Lipid-Interaktionen in modernen Zellen immer noch stattfinden,
möglicherweise als Relikt einer längst ausgestorbenen RNA-Lipid-Welt“,
sagt Sáenz.
Lipide geben RNA Selbstkontrolle
Nachdem
die Forscher herausgefunden hatten, wie man RNA so verändern kann, dass
sie besser an Lipiden haftet, untersuchten sie die
RNA-Lipid-Interaktionen genauer. Sie konnten zeigen, dass diese
Interaktionen genutzt werden können, um die Aktivität von RNAs zu
kontrollieren, die chemische Reaktionen katalysieren. „Meines Wissens
ist dies das erste Mal, dass jemand sequenzspezifische Effekte in der
Art und Weise nachgewiesen hat, wie ein Lipid die RNA-Katalyse
beeinflussen kann", sagt Professor Gerald Joyce vom Salk Institute for
Biological Studies in Kalifornien, der nicht an der Studie beteiligt
war.
Die Zukunft der RNA-Lipid-Wechselwirkungen
„In
einem nächsten Schritt möchten wir verstehen, wie man
RNA-Lipid-Wechselwirkungen nutzen kann, um synthetisches Leben zu
entwickeln, und ob diese Wechselwirkungen in modernen Organismen,
einschließlich des Menschen, wichtig sind", erklärt Sáenz. Das Team
weist auch darauf hin, dass die Erkenntnisse aus ihrer Arbeit neue
Möglichkeiten für die Entwicklung von Lipid-Nanopartikeln für
mRNA-Impfstoffformulierungen bieten könnten.
Publikation: Tomasz
Czerniak, James Sáenz: Lipid membranes modulate the activity of RNA
through sequence-dependent interactions. PNAS (January 2022) Link: https://doi.org/10.1073/pnas.2119235119