Antikörper nach SARS-CoV-2-Infektion – neue Erkenntnisse über Antikörpertests
Das Paul-Ehrlich-Institut hat in Zusammenarbeit mit der Universität Frankfurt am Main die Langzeit-Antikörperreaktion nach SARS-CoV-2-Infektion bei 828 Personen mit verschiedenen COVID-19-Schweregraden untersucht. Gemessen wurden bindende Antikörper gegen unterschiedliche SARS-CoV-2-Zielantigene, neutralisierende Antikörper und die Stärke der Antikörperbindung (Antikörperavidität). Sensitivität, Kinetik und Dauer des Antikörpernachweises waren abhängig von detektierter Antikörperklasse, Testdesign, Zielantigen des Anti-SARS-CoV-2-Antikörpertests sowie von Antikörperavidität und COVID-19-Schweregrad.
Durch Nachweis virusspezifischer Antikörper mittels Antikörpertests kann
eine akute oder frühere SARS-CoV-2-Infektion diagnostiziert werden,
wobei akute Infektionen bekanntlich symptomfrei oder mit
Krankheitszeichen (COVID-19) verlaufen können. Antikörpertests auf
SARS-CoV-2 können Personen identifizieren, die einige Zeit zuvor mit
SARS-CoV-2 infiziert waren und so dazu beitragen, das Ausmaß der
SARS-CoV-2-Infektionen in der Bevölkerung zu erkennen und die
Dunkelziffer nicht erkannter Infektionen abzuschätzen.
Die
Interpretation von SARS-CoV-2-Antikörpertestergebnissen ist jedoch
schwierig, da zum einen die Testergebnisse von Person zu Person sehr
unterschiedlich ausfallen können. Zudem variieren die
SARS-CoV-2-Antikörpertestergebnisse auch methodisch stark. Unklar ist
bisher außerdem, wie lange nach einer Infektion spezifische Antikörper
noch nachweisbar sind. Daher erfordert der Einsatz von Antikörpertests
gegen SARS-CoV-2 ein eingehendes Verständnis der Variabilitäten der
Testsensitivität sowie der Zeitabhängigkeit und Dauer des
Antikörpernachweises. Dies war der Gegenstand der vorliegenden
Untersuchung.
Das In-vitro-Diagnostika(IVD)-Prüflabor des
Paul-Ehrlich-Instituts unter Leitung von Dr. Heinrich Scheiblauer hat in
Kooperation mit dem Universitätsklinikum Frankfurt am Main die
Antikörperreaktionen über einen Zeitraum von mehr als 430 Tagen nach
SARS-CoV-2-Infektion bestimmt. Dabei wurden 828 Proben von 390
Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen COVID-19-Schweregraden
in zwölf verschiedenen Tests untersucht. Erfasst und gemessen wurden
verschiedene Antikörperklassen (Gesamtantikörper, IgG, IgA, IgM),
unterschiedliche SARS-CoV-2-Zielantigene (Rezeptorbindungs-domäne (RBD),
Spike- (S) und Nukleoprotein (N)), neutralisierende Antikörper und die
Bindungsstärke von Antikörpern an Antigen (Antikörperavidität). Die
Testspezifität wurde an 676 präpandemischen Proben bestimmt.
Die
Ergebnisse zeigen, dass die Sensitivität und Nachweisdauer von
Anti-SARS-CoV-2-Antikörpertests ein bestimmtes Muster zeigen. Dieses war
abhängig vom Testdesign, dem Zielantigen der Tests, der
Antikörperbindungsstärke und dem Schweregrad von COVID-19 im
betrachteten Zeitraum. Ein charakteristisches Merkmal bei den meisten
Patientinnen und Patienten war eine mit der Zeit zunehmende
Antikörperbindungsstärke (Antikörperavidität) für die immunogenen
SARS-CoV-2-Antigene RBD und Spikeprotein. Die Avidität ist ein Korrelat
(Maß) für die Antikörperreifung und die Bildung eines
Immungedächtnisses. Gesamtantikörpertests, die aufgrund ihres
Testdesigns eine höhere Antikörperbindungsstärke messen können, und die
auf RBD oder Spikeprotein basieren, zeigten daher mit zunehmender
Antikörperavidität eine hohe Sensitivität und lange Nachweiszeit.
Antikörper konnten dabei über mehr als 430 Tage nach der Infektion
nachgewiesen werden, ohne dass ein Endpunkt absehbar war.
Surrogat-Virusneutralisierungstests zur Bestimmung neutralisierender
Antikörper, die die Bindung von RBD (das auch in den bisher zugelassenen
Impfstoffen verwendet wird) an die ACE2-Rezeptoren inhibieren, zeigten
ebenfalls eine lange Nachweisdauer neutralisierender Antikörpern über
430 Tage.
Im Vergleich dazu zeigten RBD- oder Spike-basierte
Antikörpertests, die jeweils nur die Antikörperklassen IgG, IgA und IgM
nachweisen, eine geringere Ausgangssensitivität und im Laufe der Zeit
abnehmende Antikörpertiter, obwohl IgG- und IgA-Tests bis 430 Tage eine
relativ hohe Sensitivität (Testpositivität) beibehielten.
Nukleoprotein-basierte
Tests zeigten demgegenüber bereits nach 120 Tagen einen Abfall der
Antikörperspiegel, was bei den N-basierten IgG- und IgM-Tests auch zu
einem Verlust der Sensitivität führte. Es zeigte sich, dass dies mit
einer entsprechenden Abnahme der Avidität für das nicht immunogene
Nukleoprotein zusammenhing.
Die Spezifität der Antikörpertests
war dabei mit Ausnahme von IgA-Antikörpertests (96 %) für alle Tests mit
>99 % hoch und es gab keine Kreuzreaktivität mit endemischen humanen
Coronaviren.
Diese Daten können einen Beitrag dazu leisten, die
Antikörpertests gezielter einzusetzen und SARS-CoV-2-Antikörperbefunde
in der täglichen diagnostischen Arbeit richtig zu interpretieren.
Darüber hinaus können sie helfen, die Dauer eines möglichen
Immunschutzes gegen SARS-CoV-2 zu bestimmen.
Quelle: Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (01/2022)
Publikation: Scheiblauer
S, Nübling CM, Wolf T, Khodamoradi Y, Bellinghausen C, Sonntagbauer M,
Esser-Nobis K, Filomena A, Mahler V, Maier TJ, Stephan C (2022):
Antibody response to SARS-CoV-2 for more than one year - kinetics and
persistence of detection are predominantly determined by avidity
progression and test design. J Clin Virol 146: 105052. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jcv.2021.105052