Frühe Erde: Evolution in der abiotischen Welt |
LMU-Chemiker zeigen, dass Organokatalysatoren eine Evolution durchlaufen und bei der Entstehung des Lebens eine wichtige Rolle gespielt haben könnten. Vor der biologischen Evolution ereignete sich auf der frühen Erde eine chemische: Aus einfachen abiotischen Molekülen entstanden immer komplexere Netzwerke chemischer Reaktionen und schließlich die ersten Bausteine des Lebens. Wie die biologische beruht auch die chemische Evolution auf Veränderung und Selektion von Molekülen, wodurch neue Funktionen entstehen und verbreitet werden. Sie ist eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Leben, wird aber auf der molekularen Ebene kleiner organischer Moleküle bisher schlecht verstanden.
Ein Team um den LMU-Chemiker Oliver Trapp hat nun mit den
Imidazolidin-4-thion-Organokatalysatoren vielversprechende Kandidaten
für ein präbiotisches evolutionäres System gefunden. Wie die Forschenden
im Fachmagazin Angewandte Chemie berichten, können diese
Organokatalysatoren ihre Zusammensetzung dynamisch ändern und wichtige
Schritte auf dem Weg zum Leben katalysieren.
„Als wir die Bildung
von Aminosäuren und Nebenprodukten unter präbiotischen Bedingungen
untersuchten, haben wir entdeckt, dass auch
Imidazolidin-4-thion-Organokatalysatoren in beachtlichen Mengen
entstehen“, erzählt Trapp. Diese Katalysatoren bilden eine Gruppe
zyklischer Verbindungen, die sich aus verschiedenen Komponenten
zusammensetzen und sich durch reversible Prozesse kontinuierlich
umwandeln können. Katalysatoren setzen Reaktionen in Gang oder
erleichtern sie. Imidazolidin-4-thion-Organokatalysatoren sind
photochemisch aktiv und könnten auf der frühen Erde eine wichtige Rolle
gespielt haben, da sie essenzielle Reaktionen wie etwa die
Phosphorylierung katalysieren und Aminosäurevorläufer aufbauen können.
„Mit
unseren Experimenten konnten wir beweisen, dass diese Katalysatoren
tatsächlich eine Evolution auf molekularer Ebene durchlaufen können“,
sagt Trapp. „Sie können überraschenderweise die Bausteine verändern, aus
denen sie zusammengesetzt sind. Zudem können sie diese veränderten
Bausteine ein- und ausbauen und damit eine echte Mutation durchlaufen.“
Die Katalysatoren passen sich an ihre Umgebung an, d.h. bei
unterschiedlichen Bedingungen werden verschiedene Spezies mit
unterschiedlichen katalytischen Eigenschaften gebildet – sie ermöglichen
damit gleich mehrere Reaktionspfade für die Umwandlung von abiotischer
Materie in funktionelle Biomoleküle. Damit könnten diese
Organokatalysatoren nach Ansicht der Autoren auf der frühen Erde
tatsächlich eine wichtige Rolle gespielt haben, indem sie die
Entwicklung zu unserem heutigen Biosystem unterstützten und
katalysierten.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/fruehe-erde-evolution-in-der-abiotischen-welt.html
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München (01/2022)
Publikation: Dynamic Exchange of Substituents in a Prebiotic Organocatalyst: Initial Steps towards an Evolutionary System Anna C. Closs, Maximilian Bechtel, and Oliver Trapp Angewandte Chemie 2022 |