Neue Strategie, um Molekülverbindungen ohne mehrstufige Synthesen zu erzeugen |
Ein Forschungsteam unter der Leitung der Chemieprofessoren Frank Glorius (Universität Münster) und Kendall N. Houk (University of California, Los Angeles, USA) hat ein Problem auf dem Gebiet der organischen Synthese gelöst, das seit Jahren als Herausforderung galt. Dazu setzten sie eine sogenannte ternäre Katalyse ein.
Für die organische Synthese, also für die Herstellung von
Kohlenstoff-Verbindungen, ist die Entwicklung von Syntheseverfahren von
Bedeutung, durch die sich das gewünschte Produkt in guter Ausbeute
gewinnen lässt. Gleichzeitig sollen die Verfahren nachhaltig sein: Sie
sollen beispielsweise umweltfreundliche und leicht verfügbare Reagenzien
verwenden, wenig Abfall erzeugen und wenig Energie verbrauchen. Neue
Syntheseverfahren, die diese Kriterien erfüllen, können als Sprungbrett
für Innovationen dienen – von der medizinischen Chemie bis zur
Materialwissenschaft. Ein Beispiel sind sogenannte
Übergangsmetall-katalysierte Kreuzkupplungsreaktionen. Auf diesem Gebiet
hat ein Forschungsteam unter der Leitung der Chemieprofessoren Frank
Glorius (Universität Münster) und Kendall N. Houk (University of
California, Los Angeles) jetzt ein Problem gelöst, das seit Jahren als
Herausforderung galt: die katalytische Kohlenstoff-Wasserstoff- (C-H-)
Arylierung von unaktivierten Alkenen. Dazu setzten sie ein System aus
drei Katalysatoren ein. Die Studie wurde in der Eröffnungsausgabe der
neu gegründeten Zeitschrift "Nature Synthesis" veröffentlicht.
Unaktivierte
(reaktionsträge) Alkene sind aufgrund ihrer guten Verfügbarkeit als
Ausgangschemikalien für Reaktionsprozesse bekannt. Über eine Arylierung,
also das Einfügen einer Arylgruppe, können die Eigenschaften der
Verbindung gezielt verändert werden. In der aktuellen Arbeit ist es den
Forschern gelungen, eine spezielle funktionelle Gruppe – eine Arylgruppe
– über eine Katalyse direkt einzufügen, ohne mehrstufige Synthese. Als
Katalyse bezeichnen Chemiker die Beschleunigung und Steuerung von
chemischen Reaktionen. Für die meisten Katalyse-Reaktionen benötigt man
nur einen Katalysator. „In unserem Fall arbeiten jedoch drei
Katalysatoren zusammen (‚ternäre Katalyse‘). Dies ist besonders
anspruchsvoll, wie das Jonglieren mit mehreren Bällen“, unterstreicht
Frank Glorius. „Die drei Katalysatoren arbeiten quasi Hand in Hand in
Hand.“ Einer der Katalysatoren ist ein Photokatalysator, der Energie aus
Licht für die Reaktion verfügbar macht. Das gesamte Katalysatorsystem
ist ein sogenanntes ternäres
Nickel-Wasserstoffatomtransfer-Photodox-Synergiesystem.
„Unsere
redoxneutrale photochemische Strategie ist gut anwendbar. Wir können
damit Verbindungen mit vielen verschiedenen Eigenschaften erzeugen.
Chemiker sprechen von einer hohen Funktionsgruppentoleranz und
Anwendungsbreite“, erläutert Frank Glorius. „Wir können damit
Arzneimittel- und Naturproduktderivate selektiv an der Allylposition
arylieren. Damit könnte man die Wirksamkeit verbessern oder ganz neue
Anwendungsmöglichkeiten eröffnen.“
Ken Houk ergänzt: „In der
Regel sind Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen reaktionsträge. Die
Verwendung der ternären Katalyse ermöglicht es uns, selektiv eine
Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung für die Reaktion zu nutzen und sie mit
dem gewünschten Partner zu verknüpfen.“
Zusätzlich zu den
synthetischen Möglichkeiten der Methode hat das Team die mechanistischen
Feinheiten dieser ternären Verbindung untersucht. Durch die Kombination
von experimentellen Beobachtungen mit
Dichtefunktionaltheorie-Berechnungen haben die Wissenschaftler ein
realistisches Bild der elementaren Schritte gezeichnet, die an dem
Prozess beteiligt sind.
Zum Hintergrund: Die Eigenschaften
organischer Verbindungen werden maßgeblich von sogenannten funktionellen
Gruppen bestimmt, die an einem Gerüst aus Kohlenstoff-Atomen sitzen. Um
neue Moleküle herzustellen, werden funktionelle Gruppen ineinander
umgewandelt. Häufig sind hierfür mehrstufige Synthesen nötig. Günstiger
ist es, auf die funktionelle Gruppe zu verzichten und stattdessen das
gewünschte Produkt direkt aus einer Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung
herzustellen („C-H-Funktionalisierung“). Allerdings stehen Chemiker
dabei vor großen Herausforderungen, was die Auswahl geeigneter
Ausgangsverbindungen und Synthesestrategien angeht.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=12298
Quelle: Westfälische Wilhelms-Universität Münster (01/2022)
Publikation: Huan-Ming
Huang, Peter Bellotti, Pan-Pan Chen, Kendall N. Houk and Frank Glorius:
Allylic C(sp3)-H arylation of olefins via ternary catalysis. Nature
Synthesis 1, 59–68 (2022), DOI: https://doi.org/10.1038/s44160-021-00006-z |