LIKAT vereinfacht Verfahren zur Molekülmarkierung mittels Deuterium |
Medikamente, die wir zu uns nehmen, werden bei ihrem Abbau im Körper chemisch verändert. Bei neuentwickelten Wirkstoffen, und nicht nur dort, ist es wichtig zu wissen, welche Abbauprodukte (Metabolite) dabei entstehen, denn diese können unverträglich oder gar schädlich sein. Um solche Metabolie aufzuspüren, markieren Chemiker die zu untersuchenden Substanzen mit dem Wasserstoff-Isotop Deuterium. Durch diese Deuterierung lassen sich Wirkstoffe bei ihrem Ab- und Umbau präzise verfolgen. Am LIKAT in Rostock gelang der Forschungsgruppe von Kathrin Junge im Bereich von Matthias Beller, die Markierung chemischen Verbindungen durch einen neuen Katalysator erheblich zu vereinfachen.
„Bei der sogenannten Deuterierung wird eine bestimmte Anzahl von
Wasserstoff-Atomen im Medikament durch Deuterium ersetzt“, erläutert Dr.
Kathrin Junge. Der Unterschied zwischen beiden: Während Wasserstoff in
seinem Atomkern nur ein einzelnes Proton besitzt, enthält der
Deuterium-Kern zusätzlich zu seinem Proton noch ein Neutron. Deuterium
und Wasserstoff sind sozusagen Geschwister: Isotope des Wasserstoffs.
Chemisch verhalten sich beide völlig identisch. Nur physikalisch
unterscheiden sie sich durch das höhere Molekulargewicht von Deuterium.
Das gestattet es, ein deuteriertes Medikament in jeglichen Stadien
seines Abbaus aufzuspüren und zu analysieren. Das Forscher-Team berichtet darüber im renommierten Fachjournal NATURE CHEMISTRY.
Billiger und nachhaltiger als bisher
Weltweit
nutzen Chemiker für die Deuterierung üblicherweise Deuterium-Gas. Dafür
benötigen sie Katalysatoren, die ein Edelmetall, etwa Platin,
enthalten. Das Team am LIKAT hingegen verwendet deuteriertes Wasser,
D2O. Das ist billiger und auch besser verfügbar als Deuterium-Gas, wie
Dr. Junge sagt. Ihre Gruppe entwickelte eigens dafür einen
Katalysator. Und auch der ist preiswerter und nachhaltiger als bisher
üblich. „Wir verwenden Eisen anstelle der üblichen Edelmetalle und
benutzen Cellulose als Trägermaterial, das in der Holzindustrie
abfällt.“ Der Katalysator arbeitet, auch das ist ein Unterschied,
„sehr selektiv“, wie Kathrin Junge erläutert. Das heißt, er sorgt dafür,
dass nicht sämtliche Wasserstoff-Atome im Molekül durch Deuterium
ersetzt werden, sondern nur an bestimmten Positionen im Molekül.
Deuterierung: Hot topic der Chemieforschung
Die
Molekülmarkierung mittels Deuteriums hilft nicht nur Abbaumechanismen
von Wirkstoffen aufzuklären. Das Deuterium kann, wie Pharmazeuten
feststellten, Medikamente in ihrer Wirkung deutlich verstärken. 2017 gab
die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA das erste deuterierte
Medikament frei. Seitdem entwickelt sich das Gebiet zum hot topic der
Chemieforschung, sagt Kathrin Junge. Am LIKAT war mit den Arbeiten
hauptsächlich Dr. Wu Li befasst. Im Labor unterstützt wurde er von
Florian Bourriquen, Doktorand am LIKAT. Beide haben nachweisen können,
dass ihr Verfahren nicht nur für eine gewählte Modell-Substanz
funktioniert, sondern für ein breites Spektrum von Substanzen. Sie
testeten rund 90 Verbindungen, darunter Naturstoffe wie Aminosäuren und
DNA-Nukleotide, Hormone wie Melatonin und Estradiol sowie
pharmazeutische Wirkstoffe wie Thyrosol gegen Schilddrüsenüberfunktion
und das antiseptisch wirkende Thymol. Der Reaktionsmechanismus für
die Deuterierung mittels D2O sowie die Struktur der deuterierten
Substanzen wurden durch Analysegruppen am LIKAT aufgeklärt.
Methode für verbesserte Wirkung von Medikamenten
Die
medizinische Wirkung solcher deuterierten Stoffe einzuschätzen, sei
Sache der pharmazeutischen Forschung, sagt Dr. Kathrin Junge. Dafür
stünde nun mit den Resultaten aus dem LIKAT eine Methode bereit, die
deutlich einfacher umzusetzen ist als die bisherige Verfahrensweise.
Künftig würden solche Aspekte, auch die der Nachhaltigkeit, in den
Zulassungsverfahren von Medikamenten eine viel größere Rolle als bisher
spielen. Die neuen Erkenntnisse zur Deuterierung werden u.a. in ein
aktuelles EU-gefördertes Forschungsprojekt einfließen, in dem auch
mehrere europäische Pharma-Firmen mitarbeiten.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.catalysis.de/fileadmin/user_upload/MAIN-bilder/0_Home/Pressemitteilungen/2022/2022_01_Deuterierung_de.pdf
Quelle: Leibniz-Institut für Katalyse (01/2022)
Publikation: https://www.nature.com/articles/s41557-021-00846-4 |