Mikroben produzieren Sauerstoff im Dunkeln |
Forschende der Universität Oldenburg und der dänischen Syddansk Universiteit haben erstmals nachgewiesen, dass ein Archaeon in der Lage ist, Sauerstoff zu produzieren. Diese Entdeckung könnte die bisherige Sicht auf den marinen Stickstoffkreislauf verändern. Nur wenige Mikroorganismen sind in der Lage, Sauerstoff in völliger Dunkelheit herzustellen. Ein neues Mitglied in diesem exklusiven Kreis ist der extrem kleine Einzeller Nitrosopumilus maritimus. Er kommt häufig in Meeresregionen mit sehr geringen Sauerstoffkonzentrationen vor und gehört zu den Archaeen. Diese bilden neben Eukaryoten, zu denen etwa Menschen und Tiere zählen, und Bakterien die dritte Domäne, in die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle Lebewesen der Erde einteilen.
N. maritimus zählt dabei zu den Ammoniak-oxidierenden Archaeen, die
Ammoniak zu Nitrit umwandeln können. Vermutlich nutzt der untersuchte
Organismus einen bislang unbekannten Stoffwechselweg, um diesen
biochemischen Prozess mit selbst produziertem Sauerstoff durchzuführen,
berichten Forschende der Universität Oldenburg und der Syddansk
Universiteit in Odense (Dänemark) jetzt im Fachmagazin „Science“.
An
dieser Beobachtung hat unter anderem der Oldenburger Meeresmikrobiologe
Prof. Dr. Martin Könneke mitgewirkt. Er stellte den Organismus N.
maritimus zur Verfügung und plante die Versuche mit, die in Laboren der
Syddansk Universiteit durchgeführt wurden. Dort forscht die
Mikrobiologin und Absolventin der Universität Oldenburg, Prof. Dr. Beate
Kraft, zur Bedeutung von Mikroorganismen für die marinen
Stoffkreisläufen.
Bereits vor der aktuellen Entdeckung war
bekannt, dass Ammoniak-oxidierende Archaeen – eine der häufigsten
Lebensformen auf dem Planeten – eine wichtige Rolle im
Stickstoffkreislauf spielen. Diese Organismen wandeln Ammoniak (NH3) zu
Nitrit (NO2-) um und starten so einen wichtigen biologischen Prozess
beim Abbau von Biomasse, die sogenannte Nitrifikation.
Um
Ammoniak zu Nitrit umwandeln zu können, benötigen die Mikroorganismen
molekularen Sauerstoff. Umso erstaunlicher schien es, dass diese
Lebewesen besonders in Gewässern ohne Sauerstoff zahlreich vertreten
sind. Um dieses Rätsel zu lösen, legten die Forschenden entsprechende
Kulturen mit sauerstoffarmem Wasser an. Was sie beobachteten, war
erstaunlich: Nachdem die Mikroben den letzten Sauerstoff aufgebraucht
hatten, stieg der Sauerstoffgehalt im Wasser sofort wieder an.
Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiesen damit erstmals nach,
dass ein Archaeon molekularen Sauerstoff produziert. Bisher war diese
Fähigkeit nur bei Organismen der beiden anderen Domänen beobachtet
worden. N. maritimus stellt zwar nicht genug Sauerstoff her, um das
Vorkommen auf der Erde zu beeinflussen, aber doch etwas mehr, als es
selbst braucht. Davon könnten andere Meeresorganismen in seiner direkten
Umgebung profitieren.
Mehr noch: In sauerstoffarmer Umgebung
produzieren die untersuchten Mikroben auch Stickstoff. Kraft will die
Einzeller jetzt weiter untersuchen. Ihr Fokus liegt dabei auf dem
beobachteten Zusammenspiel von Sauerstoff- und Stickstoffproduktion.
„Sollte dieser Prozess in den Ozeanen weit verbreitet sein, müssen wir
unser gegenwärtiges Verständnis des marinen Stickstoffkreislaufs
überdenken“, sagt die Wissenschaftlerin.
Kraft studierte von 2003
bis 2009 an der Universität Oldenburg und schloss mit einem Diplom in
Marinen Umweltwissenschaften ab. Ihre Abschlussarbeit schrieb sie bei
Könneke in der damaligen Arbeitsgruppe Paläomikrobiologie am Institut
für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM). Beide blieben über die
folgenden Jahre und verschiedene berufliche Stationen in Kontakt.
Könneke
ist im Sommer 2021 nach mehrjähriger Tätigkeit am Zentrum für Marine
Umweltwissenschaften (MARUM) der Universität Bremen nach Oldenburg
zurückgekehrt. Dort leitet er am ICBM die Arbeitsgruppe Benthische
Mikrobiologie und koordiniert das bundesweite Forschungsprojekt
„Kultivierung von bisher unkultivierten Mikroorganismen aus
verschiedenen aquatischen Lebensräumen“.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.presse.uni-oldenburg.de/mit/2022/002.html
Quelle: Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg (01/2022)
Publikation: Beate
Kraft, Morten Larsen, Martin Könneke et al.: „Oxygen and nitrogen
production by an ammonia-oxidizing archaeon“, Science (2022), https://doi.org/10.1126/science.abe6733 |