Neue Weichmacher-Generation aus nachwachsenden Rohstoffen
Plastik ist heute weltweit ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Zu finden ist es unter anderem in Autoreifen, Lebensmittelverpackungen, Spielzeug und Infusionsschläuchen. Viele Kunststoffe enthalten Weichmacher – Studien zeigen jedoch, dass sie toxisch wirken, auch ist für ihre Herstellung klimaschädliches Erdöl nötig. In einem Verbund-Forschungsprojekt der Technischen Universität Hamburg, dem Chemieunternehmen BASF SE und der Universität Bielefeld ist es nun gelungen, nachwachsende Ausgangsstoffe für eine biobasierte Alternative zu nutzen. Leiter des Bielefelder Teilprojekts ist Professor Dr. Harald Gröger von der Arbeitsgruppe Industrielle Organische Chemie und Biotechnologie.
Geschätzt wird Kunststoff für seine Eigenschaften: formbar, leicht
und langlebig. Erst durch diese wird es so vielseitig einsetzbar.
Formbar werden Kunststoffe beispielsweise durch Weichmacher – Stoffe,
die zugesetzt werden und dadurch die Eigenschaften des Kunststoffs
verändern. Ohne Weichmacher wäre es oftmals ein Granulat und damit fest
und unnachgiebig. In der Industrie werden verschiedene Stoffe
verwendet, die diese Eigenschaft besitzen. Eine besondere Gruppe von
Weichmachern, mit denen sich die Forschenden beschäftigt haben, sind die
Phthalate. „Sie zählen zu den am häufigsten verwendeten Weichmacher in
der Industrie“, sagt Professor Dr. Harald Gröger, Leiter der
Forschungskooperation. „Weltweit werden jährlich über neun Millionen
Tonnen Weichmacher produziert, wobei Phthalate mehr als die Hälfte des
Herstellvolumens ausmachen.“
Erdöl ist die Grundlage für die verbreiteten Weichmacher aus Phthalaten
Die
Produktion führt allerdings zu Umweltbelastungen. „Phthalate werden auf
der Basis von Erdöl hergestellt. Diese Ressource verursacht eine
ungünstige CO2-Bilanz und ist begrenzt, sodass wir Alternativen finden
müssen“, sagt der Wissenschaftler. „Mit Blick auf die Nachhaltigkeit
würde ein auf nachwachsenden Rohstoffen basierender Weichmacher dagegen
eine CO2-neutrale Lösung darstellen und zu einer zirkulären
Kreislaufwirtschaft beitragen.“ Zusätzlich stellen einige Weichmacher
auf Phthalat-Basis ein Gesundheitsrisiko dar. „Es ist bekannt, dass
bestimmte Phthalate den Hormonhaushalt des Menschen beeinflussen und
beispielsweise während der Schwangerschaft die Entwicklung der Kinder
schädigen können. Deswegen wurde der Einsatz bestimmter Vertreter dieser
Stoffklasse in der EU reguliert“, sagt Gröger.
Alternativer Weichmacher basiert auf nachwachsenden Rohstoffen
Die
Wissenschaftler*innen forschen an einer neuen Generation von
Weichmachern. „Statt Erdöl nutzen wir erneuerbare Rohstoffquellen. So
können Zucker aus Abfallströmen aus der Lebensmittelproduktion wie
beispielsweise Kleie eingesetzt werden oder Zucker aus Holz, also
Cellulose“, sagt der Chemiker. Dadurch können die Forschenden das
Prinzip der Kreislaufwirtschaft erfüllen. Zudem sollen solche neuartigen
biobasierten Weichmacher toxikologisch unbedenklich sein.
„Die
neue Generation der Weichmacher herzustellen, ist allerdings eine enorme
Herausforderung, weil sie einem anspruchsvollen Anforderungsprofil
gerecht werden muss“, sagt Gröger. „Die konventionellen Weichmacher
wurden über viele Jahrzehnte optimiert und besitzen hervorragende
technische Performance-Eigenschaften.“ Die biobasierten Alternativen
müssen nun zusätzlich zu den Ansprüchen an eine nachwachsende
Rohstoffbasis auch den bestehenden Anforderungen in der Produktion und
Anwendung gerecht werden: leicht herstellbar, günstig und mit chemisch
vergleichbaren Eigenschaften ausgestattet. „Das betrifft zum Beispiel,
wie sich unsere Weichmacher auf die Konsistenz und die Haltbarkeit des
Kunststoffes auswirken.“
Der neue Weichmacher ist den konventionellen Weichmachern vielfach ebenbürtig
Die
Herstellung des neuen Weichmachers ist komplex: „Wir haben zunächst auf
Basis von erneuerbaren Rohstoffen Moleküle hergestellt, die als
alternative Weichmacher in Frage kommen. Diese neuen Moleküle haben wir
charakterisiert – also neben ihrem molekularen Aufbau ihre Eigenschaften
ermittelt“, sagt der Wissenschaftler. An diesem Schritt waren unter
anderem Chemiker*innen, Anwendungstechniker*innen und Toxikolog*innen
beteiligt. In einem zweiten Schritt wurden nach der erfolgreichen
Synthese und Musterherstellung die neuen Weichmacher in der Anwendung
auf ihre Eigenschaften hin getestet. „In den Anwendungstests konnten wir
sehen, dass sie es schon heute in vielen Bereichen mit den bisherigen
Weichmachern aufnehmen können“, so Gröger. „Damit verfügen wir nun über
eine Leitstruktur – also einen Grundbaustein für neuartige Weichmacher,
der biobasiert ist und einen Großteil der technischen Anforderungen
erfüllt. Langfristig ist das eine hervorragende Perspektive, um in
Zukunft marktfähige biobasierte Weichmacher zu entwickeln.“
Publikation: Carmen
Plass, Niklas Adebar, Robert Hiessl, Joscha Kleber, Axel Grimm,
Angelika Langsch, Rainer Otter, Andreas Liese, Harald Gröger:
Structure-Performance Guided Design of Sustainable Plasticizers from
Biorenewable Feedstocks. European Journal of Organic Chemistry, https://doi.org/10.1002/ejoc.202101014