Die Mutter der Schattenmorelle – Genomsequenz der Steppenkirsche entschlüsselt |
Die Genome beider Vorfahren der Sauerkirschen sind nun veröffentlicht. Das JKI war federführend an der Untersuchung des Erbguts der Steppenkirsche beteiligt. Sauerkirschen (Prunus cerasus L.) wie die vielerorts bekannte Sorte 'Schattenmorelle' findet man traditionell in fast jedem Kleingarten. Ob auf dem Kuchen, als Marmelade oder Saft, die Frucht erfreut sich großer Beliebtheit. Sauerkirschen stammen ab von der Süßkirsche (P. avium) und der Steppenkirsche (P. fruticosa).
Einer Forschungsgruppe des Julius Kühn-Instituts (JKI), der
Universitäten Budapest, Greifswald und Hohenheim sowie der
niederländischen Firma KeyGene ist es nun gelungen, die Bausteine des
Erbguts der Steppenkirsche zu entschlüsseln. Die Studie beschreibt die
neuartigen Technologie zur Erzeugung langer DNA-Sequenzen, mit deren
Hilfe die Forschenden das bislang größte Kirschengenom mit einer Länge
von 1,1 Milliarden Basen sequenzieren konnten. Die daraus abgeleiteten
acht Basischromosomen ergeben eine Gesamtgröße von 366 Millionen Basen.
„Mit
dieser ersten Genomsequenz der Steppenkirsche ist es möglich, die
evolutive Entwicklung der Sauerkirsche besser zu verstehen“, erklärt
Erstautor Dr. Thomas Wöhner vom JKI-Fachinstitut für Züchtungsforschung
an Obst in Dresden-Pillnitz. Auf Basis des genetischen Codes können die
Forscher nun Gene der Steppenkirsche im Genom der Sauerkirsche zuordnen.
Dieses Wissen lässt sich praktisch nutzen, denn damit können nun
bessere Vorhersagen über positive oder negative Eigenschaften bei der
Züchtung neuer Sauerkirschensorten getroffen werden. „Das hilft uns
dabei, die Sauerkirsche in Zukunft robuster gegenüber Krankheiten und
fit für den Klimawandel zu machen“, so Wöhner.
Hintergrund
Sauerkirschen
haben ihren Ursprung in Osteuropa und Kleinasien. Ein Vorfahre, die
Süßkirsche, ist in ganz Europa und Kleinasien weit verbreitet. Die
Steppenkirsche als zweiter Vorfahre ist in den weiten Steppen Osteuropas
und Westasiens heimisch. Schon Ende der 1960er Jahre wurde
nachgewiesen, dass die Sauerkirsche ein natürlicher Bastard zwischen der
Steppenkirsche und der Süßkirsche ist. Während sich die beiden
elterlichen Arten evolutiv zunächst unabhängig voneinander entwickelten,
kam es später in Gebieten, in denen beide Arten gleichzeitig vorkommen,
zufällig zu Hybridisierungen, aus denen dann unsere heutigen
Sauerkirschen hervorgegangen sind. Das Genom der Sauerkirsche besteht
folglich aus zwei Teilen. Die eine Hälfte der Chromosomen stammt von der
Süßkirsche, während die andere Hälfte von der Steppenkirsche abstammt.
Das Genom der Süßkirsche ist bereits sequenziert worden. Für die
Steppenkirsche fehlte bislang eine solche Genomsequenz. Mit der neuen
Genomsequenz liegen nun alle wichtigen genetischen Daten vor, um
Rückschlüsse über den Aufbau des Sauerkirschengenoms ziehen zu können.
Den Artikel finden Sie unter:
https://idw-online.de/de/news784722
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e. V. / Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (12/2021)
Publikation: Wöhner,
T., Emeriewen O., Wittenberg A., et. al.: The draft chromosome-level
genome assembly of tetraploid ground cherry (Prunus fruticosa Pall.)
from long reads. Genomics 113 (2021), 4173-4183. DOI: https://doi.org/10.1016/j.ygeno.2021.11.002 |