Wie sich positiv und negativ geladene Ionen an Grenzflächen verhalten |
Wie sich positiv und negativ geladene Ionen in der Grenzschicht zwischen einer festen Oberfläche und einer wässrigen Lösung verhalten, haben Forschende des Exzellenzclusters RESOLV an der Ruhr-Universität Bochum, des Schwester-Forschungsverbundes CALSOLV in Berkeley und der Universität Evry in Paris untersucht. Am Synchroton SOLEIL konnten sie mit der Terahertz-Spektroskopie genau beobachten, wann und wie in einer Elektrolytlösung mit Natrium- und Chlorid-Ionen die Wasserhüllen um diese Ionen beim Anlegen von Spannungen abgelegt werden.
Elektrochemische Doppelschicht zwischen Elektrolyt und fester Grenzfläche
Als
Elektrolyte werden chemische Verbindungen bezeichnet, in denen
getrennte Ionen auftreten. Wenn zum Beispiel Natriumchlorid (NaCl) in
Wasser gelöst wird, trennen sich die positiv geladenen Natrium- und die
negativ geladenen Chlorid-Ionen und können sich frei in der Lösung
bewegen. Durch die elektrische Anziehung zwischen den Ionen und den
Wassermolekülen bildet sich eine Hülle aus Wassermolekülen um die
einzelnen Ionen – eine sogenannte Hydrathülle, die in der Lösung stabil
ist. In der unmittelbaren Umgebung der elektrischen Grenzschicht
zwischen der Elektrode und Wasser bildet sich eine Schicht von
Ladungsträgern. Dabei stehen sich eine positive und eine negative
Ladungsschicht gegenüber, weswegen diese Schicht auch elektrochemische
Doppelschicht genannt wird. Laut den Textbüchern der Chemie passiert
beim Anlegen einer Spannung Folgendes: Durch die Anziehung zwischen der
Elektrode und den Ionen wird die Wasserhülle abgestreift und es kommt zu
einem Ladungstransfer, einem Strom.
Dieses einfache Bild
erklärt, wie eine Batterie funktioniert. Ob es auch auf molekularer
Ebene korrekt ist, untersuchten die Forschenden aus Bochum, Berkeley und
Paris in der vorliegenden Arbeit. Außerdem überprüften sie, ob der
Prozess identisch ist, wenn man wechselweise negative oder positive
Spannungen anlegt.
Beobachtung im laufenden Prozess schwierig
Die
chemischen Vorgänge auf molekularem Niveau zu beobachten, während eine
Spannung anliegt, stellt eine besondere experimentelle Herausforderung
dar. Genau das gelang den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in
der aktuellen Studie mit der Terahertz-Spektroskopie, die sie mit
Simulationen kombinierten. Die Forschenden untersuchten dazu am
Synchroton SOLEIL in Paris die elektrochemische Doppelschicht, die sich
in einer NaCl-Lösung in unmittelbarer Nähe an einer Goldoberfläche
bildet.
Die Terahertz-Spektroskopie ermöglicht es, das Abstreifen
der Hydrathülle live zu verfolgen. Außerdem zeigten die Forschenden
erstmals, wie sich die Wassernetzwerke an der geladenen Goldoberfläche
verändern. Das ist wesentlich, um zu verstehen, wie sich die
Gesamtenergie im Prozess verändert. „Verblüffend war für uns dabei, dass
der Prozess unterschiedlich für positive und negative Ladungen
abläuft“, resümiert Prof. Dr. Martina Havenith, Sprecherin von RESOLV.
Asymmetrische Ablösung der Hydrathülle
Die
Forschenden fanden heraus, dass sich die Hydrathüllen von Natrium- und
Chlorid-Ionen in der elektrochemischen Doppelschicht unterschiedlich
verhielten. Die Hydrathülle der positiv geladenen Ionen wurde schon bei
kleinen angelegten Spannungen abgelöst und das Natriumion zur Elektrode
gezogen. Für die negativ geladenen Chlorid-Ionen geschah das erst ab
einer höheren angelegten Spannung. Diese Unterschiede konnte das Team
auf das Verhalten der Wassernetzwerke an der Grenzfläche zurückführen.
Die Ergebnisse bestätigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
mithilfe komplexer Computersimulationen.
„Die Methode und die
Ergebnisse können nun genutzt werden, um die entscheidende Rolle von
Wasser bei anderen Grenzflächenprozessen, beispielsweise an
Halbleiter/Elektrolyt-Grenzflächen zu untersuchen“, so Martina Havenith.
Die Ergebnisse sind wichtig für das Verständnis und die Optimierung
elektrochemischer Prozesse, etwa für technologische Anwendungen wie die
Solarzellen- oder Brennstoffzellentechnologien.
Den Artikel finden Sie unter:
https://news.rub.de/wissenschaft/2021-11-23-chemie-wie-sich-positiv-und-negativ-geladene-ionen-grenzflaechen-verhalten
Quelle: Ruhr-Universität Bochum (11/2021)
Publikation: Serena
R. Alfarano et al.: Stripping away ion hydration shells in electrical
double-layer formation: Water networks matter, in: Proceedings of the
National Academy of Sciences of the United States of America, 2021, DOI:
10.1073/pnas.2108568118 |