Was Rapsfelder und Obstplantagen schützt, bedeutet für manche Organismen den Tod: Insektizide und Fungizide werden in der Landwirtschaft gegen Schädlinge und Pilze eingesetzt. Sie sind giftig. Das ist ihr Sinn. Zunehmend wird aber hinterfragt, welche Folgen solche Pflan-zenschutzmittel auch für andere Lebewesen haben. Mikrobiologen der Hochschule Coburg haben das in Versuchen mit Bienen untersucht – denn die haben nicht nur eine wichtige Funktion als Bestäuber in der Natur, in der Forschung werden sie auch gerne als Modellorganismen genutzt: „Honigbienen können leicht gezüchtet und untersucht werden“, sagt Leon Sohl. Er hat seine Masterarbeit in Bioanalytik darüber geschrieben, inwiefern Insektizide und Fungizide einen Einfluss auf die Außenhaut der Tiere haben.
Das Mikrobiom auf der Oberfläche war dabei erstmals zentraler
Gegenstand der Forschung. „Das Mikrobiom ist eine Gemeinschaft von
Mikroorganismen“, Sohl überlegt, wie er es beschreiben kann: „wie bei
einer Gruppe von Menschen, unter denen ein paar Lehrer und Lehrerinnen
sind, Leute die Taxi fahren, Sportler, Studierende – so ist das auch
beim Mikrobiom: Da gibt es zum Beispiel Proteobakterien und
Actinobakterien und auch verschiedene Pilze, die alle ihre Aufgaben
haben.“ Solche Mikroorganismen sind wichtige Bestandteile allen Lebens.
„Fungizide und Insektizide können das Mikrobiom verändern“, ergänzt
Fabienne Reiß. Sie forscht an der Hochschule über Biozide in Baustoffen,
schreibt ihre Doktorarbeit darüber, welchen Einfluss sie auf das
Mikrobiom des Erdbodens haben und unterstützt Leon Sohl bei seinen
Versuchen.
Viele Teile, ein großes Forschungsprojekt
Reiß‘
Doktorarbeit ist Teil des großen Forschungsverbundes „BayÖkotox“, der
durch das Bayerische Landesamt für Umwelt koordiniert und durch das
Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz finanziert
wird. Bayerische Wissenschaftler versuchen hier in unterschiedlichen
Teilprojekten herausfinden, wie sich chemische Stoffe und Partikel auf
Lebewesen und Umwelt auswirken. Das Teilprojekt an der Hochschule Coburg
betreuen Prof. Dr. Matthias Noll und Prof. Dr. Stefan Kalkhof. Über den
Ökotox-Verbund kam Noll in Kontakt zu Prof. Dr. Ricarda Scheiner, die
an der Universität Würzburg am Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und
Soziobiologie eine Bienenstation betreut. So landeten Würzburger
Fungizid-Bienen in Coburg.
Leon Sohl hat einige der
Versuchsbienen selbst in Würzburg gefangen: „Wir stecken sie in Röhrchen
und geben danach flüssigem Stickstoff dazu: Alles friert sofort ein.“
Das Oberflächenmikrobiom dieses Moments wird konserviert, festgehalten
wie auf einem Foto. Einige der Tiere sind mit Zuckerwasser gefüttert
worden, andere mit den in Bayern verbreiteten Fungizidmitteln Cantus
Gold und Difcor oder den Insektizidprodukten Mospilan und Steward. Und
einige auch mit einer Kombination dieser Pflanzenschutzmittel.
Biene auf der Werkbank
Reiß
und Sohl sitzen an einer sterilen Sicherheitswerkbank im
Biochemie-Labor der Hoch-schule Coburg, Sohl greift mit einer Pinzette
eine tote Biene aus einem Schälchen, Reiß lässt mit einer Pipette eine
durchsichtige Flüssigkeit auf eine andere Biene in einem Glasröhrchen
tropfen. „Flügel, Exoskelett, Beine werden präpariert und anschließend
die DNA extrahiert.“ Sohl präzisiert, dass ein kleiner Abschnitt des
bakteriellen 16S rRNA-Gens und der pilzlichen ITS-Region analysiert
werden, um dann ganz genau sagen zu können, um welches Bakterium oder
welchen Pilz es sich hier handelt. Am Ende steht fest, wie viele und
welche Bakterien und Pilze auf der Biene gelebt haben. Untersucht wurden
die sozial lebende Honigbiene (Apis mellifera) und auch die Rote
Mauerbiene (Osmia bicornis), eine solitäre Wildbienenart.
In den
Versuchen wurde nachgewiesen, dass sich das Außenhautmikrobiom bei
verschiedenen Bienenarten unterscheidet und dass Pflanzenschutzmittel
einen Einfluss darauf haben. Allerdings in geringerem Ausmaß als vorher
angenommen wurde. Reiß zuckt die Schultern. „So ist das in der
Forschung: Man weiß nie, was rauskommt.“ Manchmal stehen am Ende eines
Projekts mehr Fragen als Antworten: Wie verändert sich das
Oberflächenmikrobiom, wenn die Bienen nicht mit Bioziden gefüttert
werden, ihr Körper aber behandelte Blüten streift? Und welche
Auswirkungen haben die Veränderungen des Mikrobioms überhaupt? „Es gibt
Anzeichen, dass gewisse Bakterien auf der Oberfläche der Bienen vor
Varroamilbenbefall schützen, und die Würzburger untersuchen zum
Beispiel, inwiefern sich das Verhalten der Bienen durch den
Pestizideinsatz verändert“, erklärt Sohl. Er will nach der Masterarbeit
erst einmal eine Arbeitsstelle in der Industrie antreten. Aber die
Forschung in Coburg geht weiter. Das Team der Bioanalytik will das Thema
mit weiteren Methoden genauer analysieren.