Neuer Gentransporter soll Immunsystem austricksen |
Hämophilie A ist eine erblich bedingte Störung der Blutgerinnung. In Deutschland sind etwa 4.000 Menschen betroffen. Bei ihnen ist der sogenannte Gerinnungsfaktor VIII (FVIII) gestört oder fehlt ganz. Bei Verletzungen gerinnt das Blut dann langsamer, was zu chronischen Gelenkschäden oder akut lebensbedrohlichen Situationen führen kann. Eine bereits verfügbare Gentherapie hilft nur bestimmten Patientinnen und Patienten, die keine Antikörper gegen den viralen Vektor bilden, der als Genfähre eine intakte Kopie des FVIII-Gens in den Körper einschleusen soll. Dr. Simon Krooss, Wissenschaftler an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), hat eine Idee für ein neues Gentransportmittel, das unerkannt am Immunsystem vorbeikommt.
Etablierte Gentherapie hilft nicht allen
Bislang wird
Hämophilie A mit der bereits etablierten AAV-Gentherapie behandelt.
Dabei wird die Proteinhülle des Adeno-assoziierten Virus (AAV) mit einer
funktionstüchtigen Kopie des FVIII-Gens ausgestattet. AAV schleust als
viraler Vektor die FVIII-Kopie in Leberzellen ein, die dann das
entsprechende Protein – den Gerinnungsfaktor VIII – bilden können.
AAV-Vektoren werden als häufig als Genfähren verwendet, da sie selbst
keine Krankheiten auslösen und sich ihr Erbgut nur selten unspezifisch
in das Genom der Wirtszelle einbaut. Weil unser Immunsystem das
eigentlich harmlose Virus meist aber als fremd erkennt, kann es jedoch
Antikörper gegen die Genfähre bilden und so den gewünschten
Behandlungserfolg verhindern. Das Forschungsteam um Dr. Simon Krooss
möchte daher ein neues Transportmittel entwickeln, das die Immunabwehr
nicht auf den Plan ruft. Dafür will er die neue
Lipid-Nanopartikeltechnologie nutzen.
Lipid-Nanopartikel können Immunabwehr umgehen
Nanopartikel
sind deutlich kleiner als 100 Nanometer, also kleiner als 100
Millionstel Millimeter. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa
70.000 Nanometer dick. Die winzigen Teilchen werden problemlos in
Körperzellen aufgenommen und eignen sich dadurch gut als
Transportmittel. „Diese Partikel können das FVIII-Gen verpacken und in
die Leber transportieren“, sagt Dr. Krooss. Weil sie eine ähnliche
Struktur aufweisen wie Fetttröpfchen aus dem natürlichen
Fettstoffwechsel, erkennt das Immunsystem sie nicht als fremd. „Somit
könnten alle Patientinnen und Patienten damit behandelt werden,
unabhängig von vorher gebildeten Antikörpern“, erklärt der Biomediziner.
Der Wissenschaftler hofft, langfristig mit einer oder zumindest wenigen
Injektionen einen dauerhaften Therapieerfolg zu erzielen. Der
Förderpreis gibt ihm nun die Möglichkeit, seinen Forschungsansatz weiter
zu verfolgen und eine erfolgversprechende Alternative zur
AAV-Gentherapie anzubieten.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.mhh.de/presse-news/neuer-gentransporter-soll-immunsystem-austricksen
Quelle: Medizinische Hochschule Hannover (09/2021)
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