Zweige der pflanzlichen Immunabwehr sind eng verflochten
Wie Tiere besitzen auch Pflanzen ein Immunsystem, das auf Angriffe mikrobieller Krankheitserreger reagiert. Es besteht aus zwei Zweigen: erste Abwehrmaßnahmen beginnen bei der Erkennung solcher Eindringlinge außerhalb der Zellen, ein zweiter Alarmierungsweg wird von der Pflanze selbst in der Zelle ausgelöst. In jüngster Zeit hatten sich die Hinweise vermehrt, dass diese bisher getrennt geglaubten Zweige des pflanzlichen Immunsystems verbunden sein könnten.
Nun hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von
Professor Thorsten Nürnberger vom Zentrum für Molekularbiologie der
Pflanzen der Universität Tübingen und Professorin Jane Parker vom
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln einen Beleg
für die Verbindung gefunden. Es hat Komponenten entdeckt, die in die
Signalwege beider Zweige eingeschaltet sind. Eine gute Immunabwehr und
der Aufbau einer großen Widerstandskraft gegen mikrobielle
Krankheitserreger sind wichtige Ziele in der Pflanzenzüchtung und im
Nutzpflanzenbau. Die Ergebnisse, die zu einem neuen Modell des
pflanzlichen Immunsystems führen könnten, wurden in der Fachzeitschrift
Nature veröffentlicht.
Im Vergleich mit dem tierischen und
menschlichen Immunsystem gilt das pflanzliche als weniger gut erforscht.
Die pflanzliche Immunität wird aktiviert, wenn spezielle Rezeptoren auf
der Oberfläche der Pflanzenzellen typische Strukturen der mikrobiellen
Krankheitserreger binden und auf diese Weise erkennen. „Dieses
Überwachungssystem löst meist nur eine schwache und unspezifische
Immunreaktion aus“, sagt Dr. Rory Pruitt, der Erstautor der Studie aus
Nürnbergers Arbeitsgruppe. Häufig kann der Erreger trotz Abwehr Proteine
in die Pflanzenzellen schleusen, sogenannte Effektoren, die deren
Immunabwehr ausschalten sollen.
Krankheitserreger werden ausgebremst
Der
zweite Signalweg und Zweig des Immunsystems beruht auf der Erkennung
der Effektoren durch die Pflanze, die das Abwehrsystem voll in Gang
setzt. „Meist führt erst diese zweite Verteidigungslinie zu größeren
Reaktionen. Die Pflanze schickt die infizierten Zellen in den
programmierten Zelltod, es bilden sich Läsionen im Blatt. Die Erreger
können sich nicht weiter ausbreiten, und die Infektion kommt unter
Kontrolle“, erklärt der Wissenschaftler. Dass diese beiden Zweige des
Immunsystems bisher getrennt betrachtet wurden, liege hauptsächlich am
zeitlichen Ablauf der Immunantwort, die nacheinander in zwei Stufen
erfolge, sagt Pruitt.
Als das Forschungsteam die beiden
Signalwege anhand der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis
thaliana) im Labor sozusagen in möglichst viele detaillierte
Einzelreaktionen zergliederte, ergaben sich unerwartete Überschneidungen
zwischen beiden Signalwegen. Fehlten bestimmte En-zymkomponenten, die
bisher der Mustererkennung mikrobieller Krankheitserreger auf der
Zelloberfläche im ersten Zweig des Immunsystems zugeschrieben wurden,
funktionierte auch der zweite Signalzweig bei der Effektorerkennung in
der Pflanzenzelle nicht mehr. „Die beiden Zweige des Im-munsystems
laufen in einem Knoten zusammen“, sagt Thorsten Nürnberger. Um die neuen
Erkenntnisse in aktuelle Modelle vom pflanzlichen Immunsystem
einzubeziehen, „müssen wir ganz neue Fragen stellen“, sagt Pruitt. Noch
sei unklar, wie die Bestandteile des Systems ineinandergreifen bei der
Aktivierung der beiden verschiedenen Abwehrstufen.
Parallelen zum System bei Mensch und Tier
Da
könnte auch ein Blick auf das besser erforschte Immunsystem von Mensch
und Säugetier lohnen. Zwar fehlt Pflanzen die von diesen Lebewesen
bekannte erworbene Immunantwort über Antikörper. Doch gebe es beim
angeborenen Immunsystem Parallelen zum pflanzlichen System: „Bei den
Signalwegen wurden bei der chemischen Zusammensetzung der beteiligten
Stoffe und bei den molekularen Mechanismen erstaunliche Ähnlichkeiten
entdeckt“, sagt Pruitt. Allerdings seien dann die im weiteren Verlauf
der Immunantwort ausgelösten Reaktionen zwischen Pflanzen und Tieren
sehr unterschiedlich. Die Immunabwehr der Pflanzen sei ein grundlegendes
Forschungsgebiet zur Entwicklung für verschiedene Zwecke optimierter
Sorten für den Nutzpflanzenbau und die Eindämmung von
Pflanzenkrankheiten.