Zwischen dem vom Hochwasser verwüsteten Kreis Ahrweiler und den Vulkanseen in der Eifel liegen weniger als einhundert Kilometer. Genau diese Maare belegen jetzt, dass Wetterextreme künftig zunehmen könnten. Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI-C) haben an Sedimentbohrkernen aus Maarseen und Trockenmaaren der Vulkaneifel präzise abgelesen, wie sich das Klima in Mitteleuropa während der letzten 60.000 Jahre veränderte: In Kaltzeiten schwankte das Klima weniger, Wetterextreme waren gedämpfter. In Warmzeiten hingegen gab es unter anderem extremere Niederschlagsereignisse. Dieses Ergebnis legt nahe, dass sich Mitteleuropa mit dem menschengemachten Klimawandel auf mehr Extremwetterereignisse einstellen muss.
Das stabile Klima der vergangenen 10.000 Jahre halten viele
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für eine Voraussetzung, damit
die menschliche Kultur aufblühen konnte. Vorher prägten starke
Schwankungen das Erdklima, die sich etwa im Wechsel von Eis- und
Warmzeiten bemerkbar machten. In den Eiszeiten folgten zudem besonders
kalte und etwas wärmere Phasen aufeinander. In eine solchen wärmeren
Periode einer Eiszeit fällt auch der gegenwärtige, klimatisch
ungewöhnlich stabile Zeitabschnitt des Holozäns. Doch offenkundig
beendet die Menschheit gerade diese beständige Phase vor allem durch den
Ausstoß von Treibausgasen. Welche Folgen das haben kann, lässt sich
auch aus der Klimageschichte ablesen. Ein Team um Frank Sirocko,
Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, und Gerald Haug,
Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie, zeigt nun durch Analysen von
Sedimentbohrkernen aus Eifelmaaren, wie sich der Klimawandel in
Mitteleuropa auswirken könnte. Alle 20 bis 150 Jahre kommt es zu Extremereignissen
Insbesondere
an den Sedimenten des Trockenmaars von Auel konnten die Forschenden
nachvollziehen, dass Änderungen des nordatlantischen Strömungssystems,
zu dem auch der Golfstrom gehört, das Klima in Mitteleuropa unmittelbar
beeinflusst haben. "Die Daten der Sedimentbohrkerne aus den Eifelmaaren
zeigen dabei, dass es in wärmeren Phasen stärkere Klimaschwankungen mit
mehr Variabilität in der Temperatur und der Niederschlagsmenge sowie
mehr Extremereignisse gab", sagt Frank Sirocko, der an der Studie
maßgeblich beteiligt war.
An den Sedimenten lasen die Forschenden
in den Warmzeiten kurze Phasen von wenigen Dekaden zusätzlicher
Erwärmung und sogar Jahre mit extremen Klima- und Wetterereignissen wie
Starkregen ab, der alle 20 bis 150 Jahren auftrat. In den Eiszeiten war
das Klima dagegen deutlich stabiler.
"Die Sedimentbohrkerne sind
so gut geschichtet, dass wir daran nahezu jedes Jahr klimatisch ablesen
können, da sich zum Beispiel in Auel pro Jahr etwa zwei Millimeter
Sediment ablagerten", erklärt Frank Sirocko. Sein Team bestimmte Schicht
für Schicht den organischen Kohlenstoffgehalt, während die Forschenden
des Max-Planck-Instituts für Chemie die Konzentrationen von Silizium und
Aluminium analysierten, aus denen sie auf die Menge der Kieselalgen im
Wasser schließen können. Besonders dicke Sedimentschichten bei Hochwasser
Die
Besonderheit der Eifelmaare liegt darin, dass sich Sedimente in der
sauerstofffreien Tiefe der Seebecken ungestört ablagern konnten. Durch
diese einzigartigen Bedingungen erhielten sich die Jahresschichten, aus
denen sich Klima, Umwelt, Fauna, Flora und vulkanische Aktivität der
Eifel sehr genau rekonstruieren lassen. In Warmzeiten ist dabei sogar
ähnlich wie bei den Jahresringen eines Baumes der Gang der Jahreszeiten
in den Schichten zu erkennen. Bei Hochwasserereignissen während dieser
Phasen bildeten sich zudem besonders dicke Sedimentschichten; sie können
mehrere Millimeter bis wenige Zentimeter umfassen. In Kaltzeiten sind
die Schichten dagegen sehr dünn und kaum sichtbar, auch die
jahreszeitlichen Schwankungen sind in ihnen nicht zu erkennen.
"Unser
Klima wird im Wesentlichen vom Nordatlantik bestimmt, also dem
Zusammenspiel von warmem Golfstrom und kalter Luft des polaren
Meereises. Dies bestimmt die Intensität und Häufigkeit von
Tiefdruckgebieten und die Lage des Jetstreams der nördlichen
Hemisphäre", sagt der Geowissenschaftler Sirocko. Dabei verlaufe die
Klimaentwicklung im Atlantik und in Mitteleuropa absolut synchron.
"Diese Synchronizität zeigt deutlich, dass vor allem die Temperaturen in
der Golfstromregion das europäische Klima gesteuert haben", sagt
Alfredo Martinez-Garcia, einer der beteiligten Max-Planck-Forscher.
"Auch kommende Veränderungen des atlantischen Strömungssystems und
insbesondere der Meereisbedeckung werden direkt und unmittelbar sich auf
das europäische Klima der Zukunft auswirken." Sorgfältige Planung von Siedlungen und Infrastruktur
"Was
wir für das Klima der Eifel rekonstruiert haben, bestätigt eine häufige
Beobachtung in die Klimageschichte der letzten Jahrtausende anderer
Regionen der Erde, gerade der Tropen und Subtropen: Die Häufigkeit und
die Intensität von Klima- und Wetterextremen nahm in wärmeren Phasen zu.
Extreme traten nicht mehr nur alle hundert Jahre, sondern in viel
kürzeren Abständen auf. Die beobachteten unterschiedlichen
Klimabedingungen in Eis- und Warmzeiten liefern auch einen weiteren
Beleg dafür, dass die menschgemachte Erwärmung zu mehr und intensiveren
Klima- und Wetterextremen führen wird", sagt Gerald Haug, Sirockos
Kollege und Mitautor der Studie. "Deshalb sollte man in den besonders
gefährdeten Regionen wie etwa der Eifel sorgfältig abwägen, wie
Siedlungen und Infrastruktur wie Straßen oder Leitungsnetzen geplant
werden."
Sirocko hat mit seinem Team mittlerweile 52 lange
Bohrkerne aus der Eifel im Institut für Geowissenschaften Mainz
archiviert und damit eines der bedeutendsten Geoarchive Mitteleuropas
erschlossen. Für die Publikation in Nature Geoscience hat er Bohrkerne
aus den Maarseen von Schalkenmehren, Holzmaar und dem Trockenmaar von
Auel zu einer vollständigen Sequenz der letzten 60.000 Jahre
zusammengefügt.
Untersucht werden die Maarsedimente seit den
1980er-Jahren. 1998 startete Frank Sirocko das Eifel Laminated Sediment
Archive, kurz ELSA-Projekt, mit dem Ziel, die Sedimentablagerungen in
den Maarseen und den alten, heute verlandeten Maaren der Eifel mit
Bohrkernen als Geoarchiv vollständig zu erschließen.
Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz (08/2021)
Publikation: F.
Sirocko et al., Muted multidecadal climate variability in central
Europe during cold stadial periods, Nature Geoscience, 19. August 2021, DOI: 10.1038/s41561-021-00786-1