Covid-19-Pandemie: Antigen-Schnelltests erkennen 2 von 3 Ansteckungen |
Ein Forschungsteam des Inselspitals, Universitätsspital Bern und Universität Bern hat den direkten Vergleich von Antigen-Schnelltests mit PCR-Tests unter realen Bedingungen angestellt. Die Antigen-Schnelltests zeigten insgesamt nur zwei von drei Infektionen an, bei Personen ohne Symptome sogar nicht einmal die Hälfte. Die Studie zeigt, dass Antigen-Schnelltests nur bedingt geeignet sind, um eine SARS-CoV-2 Infektion zuverlässig auszuschliessen.
In der gegenwärtigen Diskussion um die Bewältigung der
Covid-19-Pandemie wird auf die sog. 3G- Methode abgestützt: Personen die
geimpft, genesen oder getestet sind sollen von Erleichterungen im
Rahmen der Schutzmassnahmen profitieren. PCR-Tests haben sich als
zuverlässig erwiesen. Die Antigen-Schnelltests sollen eingesetzt werden,
wenn nicht 48-72h auf ein Resultat gewartet werden kann. Das
Forschungsteam aus dem Universitären Notfallzentrum, der
Universitätsklinik für Infektiologie und des Universitätsinstitutes für
Klinische Chemie des Universitätsspitals Bern sowie dem Institut für
Infektionskrankheiten der Universität Bern hat deshalb erstmals einen
systematischen Vergleich der beiden Testverfahren unter realen
Bedingungen im Institut für Infektionskrankheiten vorgenommen.
Antigen-Schnelltest: Nur zwei von drei Infizierten korrekt ermittelt
Insgesamt
fand der PCR-Test 141 infizierte Personen (9.6%) in der Stichprobe von
1465 Tests. Der Antigen-Schnelltest dagegen fand lediglich 95
Infektionen (6.4%), das heisst, von drei PCR-positiven Personen wurden
nur zwei mit dem Antigen-Schnelltest identifiziert. Noch deutlicher war
der Fehler bei symptomfreien Personen: Lediglich 44% der PCR-positiven
Personen konnten ermittelt werden. Die Resultate der Studie weichen
damit erheblich von den Herstellerangaben ab.
Systematischer Vergleich der beiden Methoden
Die
Berner Studie wendete sehr strenge Massstäbe an: Die Entnahme wurde von
Fachleuten am Inselspital durchgeführt, die eine spezielle Ausbildung
in der Handhabung der Tests hatten. Als Antigen-Schnelltest wurde ein
Produkt mit bekannt guter Qualität verwendet. Die Tests wurden parallel
für die PCR-Bestimmung und die Antigen-Schnelltests im Institut für
Infektionskrankheiten der Universität Bern durchgeführt. Mit der
Publikation liegen erstmals vergleichbare und zuverlässige Ergebnisse
aus PCR- und Antigenschnelltests vor. Dank einer kontrollierten
Probeentnahme und einer parallelen Auswertung können die Resultate
direkt verglichen werden. Die Abweichung der hier ermittelten
Sensitivität von den Herstellerangaben überraschte.
Einsatz in der Praxis mit Fragezeichen
Die
Studienresultate zeigen die Zuverlässigkeit in einem klinischen Setting
mit gut ausgebildeten Fachleuten und nach sorgfältiger Auswertung. In
der Praxis ist davon auszugehen, dass namentlich bei der Probeentnahme
eher schlechtere Werte erzielt würden. Aktuell werden in der Schweiz
geschätzte 130 000 Schnelltests pro Woche durchgeführt. Bei etwa 18%
positiven Resultaten werden 23 400 korrekt als positiv identifiziert,
aber 12 400 Personen verpasst. «Diese 12 400 Personen fühlen sich
sicher, da sie ja negativ getestet sind, und besuchen Familienfeiern,
Konzerte und Fussballspiele. Potentiell besteht somit das Risiko, dass
Antigentests die Pandemie verstärken anstatt sie zu bremsen», sagt
Studienleiter Prof. Dr. Michael Nagler. «Aus
mikrobiologisch-infektiologischer Sicht lässt sich feststellen, dass
Antigen-Tests bei hoher Viruslast besser funktionieren als bei tiefer
Viruslast. Die Infektiosität einer Person mit einer tiefen Viruslast ist
sicherlich geringer als bei einer Person mit einer hohen Viruslast»,
sagt Franziska Suter-Riniker vom Institut für Infektionskrankheiten der
Universität Bern, Ko-Erstautorin der Studie. «Hoch infektiöse Personen
werden also eher positiv getestet.» «Die Studie zeigt aber auch, dass
Antigen-Schnelltests nur bedingt geeignet sind, um eine SARS-CoV-2
Infektion zuverlässig auszuschliessen. Die heute zur Verfügung stehenden
Antigen-Schnelltests sollten daher nur mit Vorbehalt im Rahmen der
Covid-19-Massnahmen eingesetzt werden», gibt Nagler zu bedenken.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.insel.ch/de/aktuell/aktuelles/details/news/antigen-schnelltests-erkennen-nur-2-von-3-ansteckungen/
Quelle: Universitätsspital Bern (08/2021)
Publikation: Originalpublikation, DOI: 10.1016/j.ijid.2021.07.010 S.
Jegerlehner, F. Suter-Riniker et al.: Diagnostic accuracy of a
SARS-CoV-2 rapid antigen test in real-life clinical settings;
International Journal of Infectious Diseases, Aug. 2021 |