Ähnliche Strukturen, entgegengesetzte Funktionen: Neue Erkenntnisse zu bakteriellen Photorezeptoren |
Das Sonnenlicht beeinflusst viele biochemische Abläufe in Pflanzen, Tieren, Pilzen und Bakterien. In zahlreichen Organismen nehmen die Phytochrome, eine spezielle Klasse von Photorezeptoren, rotes oder fernrotes Licht auf und verwandeln es in Signale, die entsprechende physiologische Reaktionen auslösen. In „Nature Communications“ berichtet ein internationales Team mit Wissenschaftler*innen aus Bayreuth über eine überraschende Entdeckung: Zwei bakterielle Phytochrome funktionieren trotz ähnlichen Aufbaus auf entgegengesetzte Weise. Für die Erforschung lichtgesteuerter Prozesse in der Natur und biotechnologischer Anwendungen bieten diese Erkenntnisse neue Anknüpfungspunkte.
In Bakterien wird der Einfluss des Sonnenlichts auf den
Organismus vielfach durch Signalsysteme gesteuert, an denen zwei
Komponenten beteiligt sind. Die erste Komponente sind Photorezeptoren,
häufig handelt es sich dabei um Phytochrome. Wie molekulare Schalter
wechseln sie zwischen zwei Zuständen hin und her, in denen sie jeweils
rotes oder fernrotes Licht aufnehmen. Dadurch lösen sie biochemische
Signale aus, die an die zweite Komponente des Systems – den
Antwortregulator – weitergeleitet werden. Der Antwortregulator wiederum
setzt, abhängig von der Art und Intensität der Signale, bestimmte
biochemische Prozesse – unter anderem die Expression von Genen – in den
Bakterien in Gang.
Normalerweise arbeiten bakterielle Phytochrome
als Enzyme, die Phosphatgruppen auf Eiweißmoleküle übertragen. Diese
Enzyme werden auch als Kinasen bezeichnet. Aber ausgerechnet im
Phytochrom des Bakteriums Deinococcus radiodurans (DrBphP), das in der
Forschung als wichtiges Modellsystem gilt, hat man seit gut 20 Jahren
vergeblich nach einer solchen oder anders gearteten enzymatischen
Aktivität gesucht. Trotz enormer Relevanz als Modellsystem blieb die
genaue biologische Funktion des DrBphP somit unklar. Die biochemische
Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Andreas Möglich an der Universität Bayreuth
hat, in Kooperation mit Forschungspartnern in Finnland, dieses seit
langem bestehende Rätsel jetzt aufgeklärt. Das Phytochrom des
Modellbakteriums D. radiodurans tanzt tatsächlich aus der Reihe: Es
verhält sich ähnlich wie eine andere Klasse von Enzymen, die
Phosphatgruppen von benachbarten Molekülen abspalten und deshalb
Phosphatasen heißen.
Die Forscher*innen haben dieses Ergebnis
durch einen Vergleich mit dem Phytochrom des Bakteriums Agrobacterium
fabrum (Agp1) erzielt. Dieses Phytochrom fördert – wie es für Kinasen
charakteristisch ist – nicht die Abspaltung, sondern die Übertragung von
Phosphatgruppen. „Der Vergleich der aus zwei verschiedenen
Bakterienarten stammenden Phytochrome ist deshalb so spannend, weil sie
einander spiegelbildlich entgegengesetzte Funktionen haben, obwohl sie
sich hinsichtlich ihres molekularen Bauplans sehr ähneln. Und noch eine
weitere Auffälligkeit haben wir festgestellt: Die beiden Funktionen
verteilen sich, wiederum gegenläufig, auf zwei entgegengesetzte
Zustände. Das Phytochrom Agp1 entfaltet seine Kinase-Aktivität, wenn es
fernrotes Licht aufnimmt. Umgekehrt startet die Phosphatase-Aktivität
des Phytochroms DrBphP, wenn es rotes Licht aufnimmt. Durch diese
vergleichende Analyse konnten wir gut 20 Jahre nach seiner Entdeckung
erstmalig eine enzymatische Aktivität für DrBphP nachweisen. Aus diesen
Erkenntnissen könnten sich interessante Ansatzpunkte für die Optogenetik
ergeben, insbesondere für den Bau künstlicher Lichtrezeptoren, mit
denen sich zelluläre Prozesse steuern lassen“, sagt Prof. Möglich.
Letztautor
der in „Nature Communications“ veröffentlichten Studie ist Dr. Heikki
Takala, Academy Research Fellow an der Universität Jyväskylä in Finnland
und zuvor Leiter einer Nachwuchsforschergruppe an der Universität
Helsinki. Im Jahr 2020 wurde er vom University of Bayreuth Centre of
International Excellence “Alexander von Humboldt" als Senior Fellow
ausgewählt. Während seines Forschungsaufenthalts in Bayreuth kooperierte
er mit der Bayreuther Arbeitsgruppe von Prof. Möglich. „Die
Zusammenarbeit in unserem Bayreuther Team hat sich wissenschaftlich als
sehr erfolgreich erwiesen und hat auch mein Netzwerk persönlicher
Kontakte sehr erweitert. Unseren Austausch über aktuelle Fragen in der
Photobiochemie intensivieren wir deshalb auch nach der jetzt
veröffentlichten Studie weiter. Die Ergebnisse zeigen, dass wir bei der
Erforschung der Lichtsteuerung biochemischer Prozesse in vieler Hinsicht
noch am Anfang stehen. Im Rahmen eines Forschungsaufenthalts meiner
Mitarbeiterin Elina Multamäki in Bayreuth werden wir just ab September
2021 unsere neuen Erkenntnisse in eine biotechnologische Anwendung des
DrBphP umsetzen“, sagt Dr. Takala.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-bayreuth.de/de/universitaet/presse/pressemitteilungen/2021/111-bakterielle-phytochrome/index.html
Quelle: Universität Bayreuth (08/2021)
Publikation: Elina
Multamäki et al.: Comparative analysis of two paradigm
bacteriophytochromes reveals opposite functionalities in two-component
signaling. Nature Communications (2021), 12, 4394. DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-021-24676-7 |