Hürdenlauf zum Wasserstoff – Doktorand entdeckt am LIKAT eine neue Art der Wasserspaltung
Es klingt einfach, und die Natur macht es uns vor: Grüne Pflanzen speichern Sonnenergie, indem sie – mittels Licht und Chloroplasten – Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Die Forschung reizt es, auf ähnliche Weise zum Wasserstoffgas (H2) zu gelangen, denn „grün“ produziert gilt es als Protagonist einer nachhaltigen Energie- und Grundstoffwirtschaft. Jacob Schneidewind vom Rostocker Leibniz-Institut für Katalyse hat mit seiner Dissertation einen Weg dorthin gezeigt. Er deckte den Mechanismus einer neuen Art der Wasserspaltung auf, mit der die Photolyse kostengünstig möglich werden kann.
Grüner Wasserstoff lässt sich auf unterschiedliche Weise gewinnen.
Technisch genutzt wird aktuell die Elektrolyse mittels Katalysator und
Elektrizität, die von Wind oder Sonne stammt. Eleganter und womöglich
kostengünstiger ist freilich die Photolyse, bei der das Sonnenlicht
mithilfe eines Katalysators direkt die Wasserspaltung bewirkt – ohne
Umweg über Strom aus Wind- oder Solaranlagen. Unter dem Stichwort
„künstliche Photosynthese“ erkundet die Chemie derzeit intensiv diesen
photokatalytischen Weg.
Was es braucht: Wasser, Lichtquelle, Katalysator
Vor
12 Jahren berichtete ein Team vom Weizmann-Institut, Israel, im
SCIENCE-Magazin von einer chemischen Reaktion, bei der ein neuartiger
Katalysator mit Hilfe von Licht Wasser spaltete. „Doch niemand verstand,
auf welche Weise das geschah“, sagt Dr. Jacob Schneidewind. „Klar war
nur, dass noch niemand diese Art der Wasserspaltung gesehen und
beschrieben hatte. Sie unterscheidet sich auch komplett von der
natürlichen Photosynthese.“ Hier gab es etwas grundsätzlich Neues
über die Wasserspaltung zu lernen. Und einen neuen Weg zu erkunden,
diese Vorgänge technisch zu nutzen. Drei Jahre studierte Jacob
Schneidewind in seiner Promotion am LIKAT die Original-Reaktion der
israelischen Kollegen mittels Wasser, einer Lichtquelle und dem
Katalysator aus Ruthenium. Ziel war es, die Abläufe auf molekularer
Ebene aufzuklären und die Prozesse am Rechner zu simulieren.
Vier Hürden für Photonen
Kurze
Reminiszenz an den Bio-Unterricht in der Sekundarstufe: Bei der
Photolyse in grünen Pflanzen entstehen aus jeweils zwei H2O-Molekülen
ein Sauerstoff-Molekül (O2) sowie exakt vier Protonen des Wasserstoffs
(H+) und vier Elektronen (e-). Jacob Schneidewind erläutert: „Die
Energie für die Freisetzung der vier Elektronen stammt von ebenfalls
vier absorbierten Lichtteilchen, den Photonen. Um genügend Photonen zu
gewinnen, benutzt die Natur mehrere absorbierende Zentren.“ Man könne
sich die Reaktion wie einen energetischen Hürdenlauf vorstellen, sagt
Jacob Schneidewind. „Bis zum Ziel, also der Wasserspaltung, sind dann
vier Hürden zu überwinden. Wird auch nur eine davon gerissen, misslingt
die Photolyse – zumindest für diesen Molekülverband.“ Soweit der Ablauf
in der Natur. Original lässt Fragen offen
Im Labor
am Weizmann-Institut erfolgte die Photolyse aber nicht an mehreren
absorbierenden Zentren, sondern nur an einem einzigen Punkt. „Das
erschien seltsam“, sagt Dr. Schneidewind. „Dass ein katalytisches
Zentrum allein vier Photonen absorbieren würde, ist extrem
unwahrscheinlich.“ Ebenso wenig würde die Energie eines einzelnen
Photons ausreichen, um alle vier Hürden zu überspringen. Dafür gab es
keine sinnvolle Erklärung. Als Doktorand arbeitete sich Jacob
Schneidewind in die Quantenchemie und die Kinetik chemischer Reaktionen
ein, mit deren Hilfe er Reaktionen am Rechner modellieren konnte. Im
Labor baute er das israelische Experiment mit wechselnden Lichtquellen
nach, vom kurzwelligen, energiereichen blauen Licht bis zum
energieschwachen Rotbereich. Kollegen an der Universität Rostock
übernahmen die Analysen mittels Hochgeschwindigkeits-Spektroskopie. Die Lösung: zwei Hürden reichen aus
„Es
hat uns alle überrascht zu sehen, was da im System geschieht“, sagt
Jacob Schneidewind. Tatsächlich kommt der photokatalytische Weg zum
Wasserstoff mit zwei Photonen aus statt mit üblicherweise vier. Und
sowohl die Absorption der Photonen als auch die eigentliche
Spaltungsreaktion laufen an einem einzigen Zentrum ab, welches aus einem
Paar von Ruthenium-Atomen besteht. „Wenn das erste Photon seine Hürde
genommen hat, entsteht eine neue Verbindung, die das zweite Photon
absorbiert. Und diese benötigt für die zweite Hürde sogar weniger
Energie als für die erste Hürde nötig war.“ Somit lässt sich eine
größere Bandbreite des Lichts nutzen, was die Effizienz deutlich
verbessern kann.
Strukturell scheint alles aufgeklärt. Was folgt
technisch daraus? „Man könnte z.B. durchsichtige Plastikschläuche mit
einer Suspension oder Lösung aus Wasser und Katalysator füllen und
großflächig der Sonne aussetzen“, sagt Dr. Schneidewind. Dieser Ansatz
wäre, mit dem richtigen Katalysator, drei- bis viermal kostengünstiger
als die Kombination von Solarzellen und Elektrolyseur. Einen geeigneten
Katalysator dafür plant Jacob Schneidewind ab Herbst mit einer eigenen
Nachwuchsgruppe an der RWTH Aachen zu entwickeln, wohin er nach seiner
Promotion gewechselt ist. Nachhaltige Energie-Konzepte gehen u.a.
davon aus, künftig grünen Wasserstoff in sonnenreichen Regionen zu
produzieren und nach Europa zu importieren. Das Wissen aus dem LIKAT
wird helfen entsprechende Technologien zu entwickeln.