Wie reagieren unsere Zellen auf Hunger oder Stress?
Zellen reagieren auf Hunger oder Stress indem sie die Zusammensetzung der Proteine auf der Zelloberfläche verändern. Forschende vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln haben jetzt herausgefunden, dass ein Proteinkomplex, mTORC1 genannt, ein zentraler Koordinator dieses Prozesses ist. Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft wichtig sein für die Entwicklung von Therapien für Krankheiten, bei denen die Aktivität dieses Proteinkomplexes bekanntermaßen fehlreguliert ist, wie zum Beispiel bei Krebs, neurologischen oder metabolischen Störungen oder im Alter.
Unsere Zellen kommunizieren mit ihrer Umgebung auf eine wechselseitige
Weise. Einerseits nehmen sie über Proteine auf ihrer Oberfläche ständig
Signale aus ihrer Umgebung auf und geben sie an das Zellinnere weiter.
Andererseits senden sie Signale nach außen, indem sie Faktoren
freisetzen oder durch Proteine, die auf ihrer Oberfläche sitzen. Obwohl
seit Jahrzehnten bekannt ist, dass diese bidirektionale Kommunikation
entscheidend für die Zellfunktion ist und bei Krankheiten oft gestört
ist, war bisher nicht klar, wie dies in den Zellen tatsächlich
funktioniert. Forschende des Max-Planck-Instituts für Biologie des
Alterns und der Universität Köln haben nun herausgefunden, dass ein
Proteinkomplex, mTORC1 genannt, ein zentraler Koordinator dieses
Prozesses ist. Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft wichtig sein für
die Entwicklung von Therapien für Krankheiten, bei denen die Aktivität
dieses Proteinkomplexes bekanntermaßen fehlreguliert ist, wie zum
Beispiel bei Krebs, neurologischen oder metabolischen Störungen oder im
Alter.
Die Zellen, aus denen unser Körper besteht, senden und
empfangen ständig Signale an und von ihrer Umgebung. Auf diese Weise
spüren sie, ob sie genügend Nährstoffe, Energie, Sauerstoff und alles
andere haben, was sie zum Wachsen und Vermehren brauchen. Wenn
Nährstoffe knapp werden oder wenn Zellen anderen stressigen Bedingungen
ausgesetzt sind, müssen sie darauf reagieren und sich entsprechend
anpassen: Sie ändern, wie sie sich bewegen, wie sie Nährstoffe aufnehmen
oder wie sie mit benachbarten Zellen und Oberflächen interagieren. Um
dies zu erreichen, müssen Zellen die Menge der Oberflächen- und
sekretierten Proteine quantitativ und qualitativ umgestalten, was sie
durch die Aktivierung komplexer Frachttransportmechanismen tun.
"Ein
Weg, über den Zellen Proteine transportieren oder sezernieren, heißt
„Unconventional Protein Secretion“, kurz UPS. Dieser Weg wird bei Stress
aktiviert und es wurde bereits gezeigt, dass er Proteine transportiert,
die bei Krebs, Entzündungen und Knochenbildung eine wichtige Rolle
spielen", erklärt Dr. Julian Nüchel, derzeit Postdoc am
Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns und Erstautor der Studie.
"Wie UPS in gestressten oder ausgehungerten Zellen aktiviert wird, war
nicht bekannt. Als wir die Regulation dieses sekretorischen Weges im
Detail untersuchten, fanden wir heraus, dass der zelluläre Sensor mTORC1
diesen Prozess steuert." Der Proteinkomplex mTORC1 fungiert als
wichtigster Sensor der Zelle und verknüpft Signale wie Energie- und
Ernährungszustand mit fast allen grundlegenden zellulären Aktivitäten.
Zellulärer Stress verändert die Proteine an der Zelloberfläche
In
ihren Experimenten zeigten die Kölner Forschenden, dass verschiedene
zelluläre Stressfaktoren, wie zum Beispiel Nährstoffmangel, den
Proteinkomplex mTORC1 inaktivieren und den UPS-Transportweg einschalten.
"Unter normalen Bedingungen ist mTORC1 aktiv und fügt bestimmten
Proteinen eine kleine chemische Modifikation, die sogenannte
Phosphorylierung, hinzu und verändert so deren Aktivität oder
Lokalisation innerhalb der Zelle", erklärt Forschungsgruppenleiter Dr.
Constantinos Demetriades. Im Fall der Kölner Studie konnte gezeigt
werden, dass mTORC1 die Lokalisation und Funktion eines Proteins namens
GRASP55 steuert, das sich normalerweise im Golgi-Apparat, dem
Sortierzentrum für Proteinfracht in der Zelle, befindet. "Unter
Stressbedingungen, wenn mTORC1 inaktiviert ist, wird GRASP55 nicht mehr
im Golgi gehalten und wandert in andere Kompartimente, um UPS zu
fördern."
Neben dem Nachweis, wie UPS in Zellen reguliert wird,
gelang es den Forschenden auch, die Proteine zu identifizieren, die auf
diesen Weg angewiesen sind, um die Zelloberfläche zu erreichen. Sie
entdeckten Faktoren, die eine wichtige Rolle bei der Zellbewegzbg und
-kommunikation spielen - Prozesse, die bei menschlichen Krankheiten
häufig gestört sind. Dr. Demetriades erklärt: "In Zellen, in denen die
mTORC1-Aktivität gestört ist, ist auch der UPS-Transportweg
fehlreguliert. Daher könnte dieser sekretorische Weg bei mTOR-bedingten
Krankheiten, wie zum Beispiel bei „Tuberous Sclerosis Complex“, eine
entscheidende Rolle spielen. Zukünftige Studien in dieser Richtung
werden notwendig sein, um die Bedeutung von UPS bei Krankheiten und
Alterung des Menschen zu erforschen."
Diese Studie war eine
Zusammenarbeit zwischen der Gruppe von Dr. Constantinos Demetriades am
Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns und der Gruppe von Dr.
Markus Plomann am Zentrum für Biochemie der Universität zu Köln,
unterstützt von Dr. Beate Eckes vom Labor für Translationale
Matrixbiologie der Universität zu Köln sowie Forschern des CECAD
Exzellenzclusters für Alternsforschung der Universität zu Köln und
Colzyx AB aus Schweden. Das Projekt wurde durch den Europäischen
Forschungsrat (ERC), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die
Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gefördert.
Quelle: Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns (07/2021)
Publikation: Julian
Nüchel, Marina Tauber, Janica L Nolte, Matthias Mörgelin, Clara Türk,
Beate Eckes, Constantinos Demetriades, Markus Plomann An mTORC1-GRASP55 signaling axis controls unconventional secretion to reshape the extracellular proteome upon stress Mol Cell, Juli 2021 http://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34245671/