Chemische Reaktionen laufen nicht immer zielgerichtet ab. Unerwünschte Nebenprodukte verschwenden Ressourcen und verursachen Kosten. Selektive Katalysatoren können helfen, jedoch muss viel ausprobiert werden, um den richtigen Katalysator zu finden. Forschende haben nun atomgenau untersucht, wie ein Palladiumkatalysator für die selektive Hydrierung von Acrolein beschaffen sein muss. Entscheidend ist ein dichter, wandelbarer Belag aus Hilfsmolekülen.
Das Acroleinmolekül hat zwei Positionen, an denen es hydriert werden
kann. Entweder bildet sich bei der Reaktion mit Wasserstoff der Alkohol
Propenol oder der Aldehyd Propanal. Palladiumkatalysatoren können die
Reaktion in Richtung Propenol lenken. Das funktioniert allerdings nur,
wenn die Oberfläche des Metalls bereits mit dem Reaktionspartner oder
einem ähnlichen Kohlenwasserstoff als Hilfsmolekül belegt ist. Warum das
so ist und was bei der Reaktion passiert, haben nun Swetlana
Schauermann und ihr Team an der Universität Kiel untersucht.
Für
ihre Experimente belegten sie reines Palladiummetall zunächst mit
Allylcyanid, dem Hilfsmolekül für die Reaktion. Um sich diese Belegung
im Detail anzuschauen, untersuchten die Forschenden die
Palladiumoberfläche mit einem Rastertunnelmikroskop. Die Analysen
ergaben einen „flachen“ Belag: Das Allylcyanid lag mit allen drei
Kohlenstoffatomen der Allyl-Kohlenstoffgruppe sowie mit der
Cyanidfunktion flach auf den Metallatomen. Nichts stand ab, nichts ragte
nach oben heraus.
Das änderte sich, als die Gruppe das Metall
den Reaktionsbedingungen aussetzten und einen Wasserstoffstrom über die
Metalloberfläche schickte. Die rastertunnelmikroskopischen Aufnahmen
zeigten weiterhin eine dichte Belegung, aber mit deutlich kürzeren
Abständen zwischen den Molekülen. Was genau passiert war, folgerten sie
aus der Art der Veränderung sowie spektrometrischen Analysen: Demnach
hatte der Wasserstoff das Allylcyanid hydriert und in einen gesättigten
Kohlenwasserstoff mit Imin-Funktionsgruppe umgewandelt.
Und
dieses Imin lag nicht mehr flach, es machte „Handstand“. Denn das Ende
mit dem gesättigten Kohlenwasserstoffrest hatte den Kontakt mit den
Palladiumatomen verloren, während die Iminfunktion weiter mit dem Metall
verbunden blieb. Die flache Katalysatoroberfläche hatte sich in einen
Wald aus hochstehenden Molekülen verwandelt.
Diese neue Belegung
machte den Katalysator aktiv, denn sie ermöglichte ein positionsgenaues
Andocken des Acroleins und die Aktivierung des Sauerstoffs. „Auf dieser
aktiven Schicht bildet Acrolein fast sofort das gewünschte
Zwischenprodukt, und das Zielprodukt Propenol wird freigesetzt“
beobachteten die Autoren.
Damit lassen sich die Chemoselektivität
und die Aktivität des Palladiumkatalysators gut erklären. „Zum ersten
Mal wurde die Bildung einer aktiven Ligandenschicht durch
Realraum-Mikroskopie nachgewiesen“, beschreiben die Autor:innen. Dieses
Verständnis könnte helfen, Funktionalisierungen zu finden, die
Metallkatalysatoren auf die gewünschte Weise chemoselektiv machen,
schreiben sie.
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Quelle: Angewandte Chemie (06/2021)
Publikation: https://doi.org/10.1002/ange.202103960 |