Wie Viren und Bakterien in Trinkwasserbrunnen gelangen können |
Uferfiltration ist eine wichtige Methode zur Trinkwassergewinnung in Gebieten mit beschränktem Grundwasservorkommen, in denen sich aber große Flüsse oder Seen befinden. Sie wird in verschiedenen Regionen weltweit eingesetzt, u.a. in Europa, den Vereinigten Staaten, und Teilen von Afrika. Erhöhte Schadstoffkonzentrationen in Oberflächengewässern sind jedoch ein Risiko für das Erreichen der Trinkwasserqualität. Eine relevante Gruppe von Schadstoffen sind krankheitserregende Mikroorganismen wie humanpathogene Viren und Bakterien, welche im Abwasser vorkommen und von Kläranlagen nicht vollständig entfernt werden können.
Untersuchungen am Rhein haben nun gezeigt, dass der Transport von
Bakterien in der Uferfiltration saisonalen Schwankungen unterliegt.
Besonders Hochwässer stellen ein Risiko dar, denn sie haben zu Folge,
dass sich die Reinigungsleistung durch Uferfiltration verringert und
sich die Konzentrationen von Bakterien im Grundwasser erhöht. Weiterhin
zeigen die Ergebnisse, dass die Veränderung der Flussbettsedimente im
Verlauf eines Jahres Einfluss auf die Reinigungsleistung der
Uferfiltration haben und gegebenenfalls bei Risikobewertungen
mitberücksichtigt werden müssen.
Werkzeugkasten für Wasserwerksbetreiber
Ein
Projekt, geleitet von Prof. Dr. Irina Engelhardt, die an der TU Berlin
das Fachgebiet Hydrogeologie lehrt, zielt darauf ab, die Uferfiltration
umfassender zu verstehen und den Transport von Mikroorganismen bei der
Uferfiltration besser zu modellieren. Für Wasserwerksbetreiber sollen
modellgestützte Werkzeuge entwickelt werden, die es ihnen ermöglichen,
die Reinigungswirkung ihrer Uferfiltrationsanlagen bezüglich der
Mikroorganismen exakter abschätzen zu können. Zu den
Kooperationspartnern gehören Prof. Dr. Alberto Guadagnini und Prof. Dr.
Monica Riva vom Dipartimento di Ingegneria Civile e Ambientale der
Politecnico di Milano.
Erste Ergebnisse der Kooperation
veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kürzlich
gemeinsam in dem Artikel „Uncertainty analysis and identification of key
parameters controlling bacteria transport within a riverbank filtration
scenario“ in der internationalen Fachzeitschrift Water Resources
Research (https://doi.org/10.1029/2020WR027911).
Anwendungen in Deutschland und Italien
Mehr
als 100 Uferfiltrationsanlagen existieren in Europa, vor allem in Nord-
und Mitteleuropa, besonders in Deutschland, der Niederlande, Frankreich
und Finnland. In Deutschland ist die Trinkwassergewinnung durch
Uferfiltration regional bedeutend. Beispielsweise wird ungefähr die
Hälfte des Berliner Trinkwassers damit gewonnen. Im Mittelmeerraum
dagegen ist sie bisher weniger verbreitet. In Italien befindet sich ein
Beispiel in Lucca (Toskana). Jedoch steigt aufgrund des Klimawandels der
Druck auf die Wasserressourcen im Mittelmeerraum. Uferfiltration, als
ressourcenschonende Methode zur Trinkwassergewinnung, könnte ein Mittel
sein die steigende Wasserknappheit in der Region zu bekämpfen.
Unsicherheit bei Vorhersagen
Bei
der Trinkwassergewinnung durch Uferfiltration werden
Grundwasserentnahmebrunnen neben Flüssen oder Seen platziert. Diese
Brunnen fördern vor allem sogenanntes Uferfiltrat, also Wasser, welches
aus dem Oberflächengewässer dem Brunnen zuströmt und dabei durch die
Untergrundpassage auf natürliche Weise gereinigt wird. Beim Transport
durch den Untergrund unterlaufen die Mikroorganismen ein komplexes
System von Prozessen. Einfach ausgedrückt, beim Transport im Grundwasser
sinkt die Konzentration humanpathogener Mikroorganismen, da sie zum
Teil am Boden zurückgehalten werden, und mit steigender Verweildauer im
Grundwasser absterben bzw. nicht mehr infektiös sind. Die kritische
Frage für Wasserwerksbetreiber ist: Wie stark ist die Reinigungswirkung
der Uferfiltration, d.h. wie stark sinkt die Konzentration der
Mikroorganismen? Die Forschung hat gezeigt, dass diese Prozesse von
vielen Faktoren beeinflusst werden, beispielsweise von der
Grundwasserfließgeschwindigkeit, Temperatur und der mineralogischen
Zusammensetzung des Bodens. Ebenso können sich verschiedene Spezies der
Mikroorganismen in ihrem Transportverhalten unterscheiden. Dadurch sind
Vorhersagen zum Transport von Mikroorganismen im Grundwasser und dadurch
der Reinigungswirkung der Uferfiltration mit einem hohen Grad an
Unsicherheit versehen.
Den Artikel finden Sie unter:
https://idw-online.de/de/news768071
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e. V. / Technische Universität Berlin (05/2021) |