Krankheitserreger aus dem Trinkwasser zu entfernen, ist dann besonders schwierig, wenn die Keime zu winzig sind, um von herkömmlichen Filtern abgefangen zu werden. Forscherteams der Empa und der Eawag entwickeln neue Materialien und Prozesse, mit denen sich Wasser von hartnäckigen Kleinsterregern wie Viren befreien lässt.
Wasser ist Leben, lehrt uns die Biologie. Etwas Anderes lehrt
die Realität: Mit Krankheitserregern verunreinigtes Wasser bringt
jährlich Hundertausenden den Tod an Orten, wo die Wasseraufbereitung
fehlt oder nur mangelhaft funktioniert. Um dem ein Ende zu setzen,
gehört die Verfügbarkeit von sauberem Wasser für alle Menschen seit 2015
zur Globalen Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen (UN).
Entsprechend dieser Zielvorgabe entwickeln Forscherteams der Empa
gemeinsam mit dem Wasserforschungsinstitut Eawag neue Materialien und
Technologien, um Trinkwasser von Krankheitserregern zu befreien, die
sich mit herkömmlichen Massnahmen bisher kaum oder aber nur mit teuren
und aufwändigen Verfahren eliminieren liessen.
Winzige Krankheitserreger
Dabei
haben es die Forschenden auf die Kleinsten unter den Keimen abgesehen:
Winzige Erreger, die sich – anders als das Coronavirus Sars-Cov-2 – mit
dem Trinkwasser verbreiten und verschiedene Krankheiten auslösen, etwa
Kinderlähmung, Durchfall und Hepatitis. Zu diesen Erregern gehört auch
das nur knapp 70 Nanometer grosse Rotavirus.
«Gegen Rotaviren
sind herkömmliche Wasserfilter wirkungslos», erklärt Empa-Forscher
Thomas Graule vom «High Performance Ceramics»-Labor in Dübendorf. Gerade
diese winzigen Keime gehören aber zu den häufigsten Erregern von
Magen-Darminfekten. Laut Weltgesundheitsorganisationen WHO starben im
Jahr 2016 weltweit rund 130‘000 Kinder an einer Rotavirus-Infektion. Nun
haben die Forschenden Strategien für Filtrationstechnologien
entwickelt, die auf neuen Materialien basieren und das Problem der
Winzigkeit trickreich umgehen. Denn eine Eigenschaft der Viruspartikel
lässt sich für eine neue Art von Filtern nutzen: die in vielen Fällen
negative elektrische Ladung der Viruspartikel.Basierend auf dieser Idee,
begannen die Forschenden geeignete Materialien zu entwickeln, die eine
Adsorption der negativ geladenen Virusoberflächen erlaubt.
Denn
bisher war es schwierig, leicht regenerierbare positiv geladene
Oberflächen mit hoher Adsorptionskapazität zu erzeugen, und
systematische experimentelle Studien waren Mangelware. Die Forschenden
nahmen sich für ihre Untersuchungen daher ein Modellvirus vor, das sogar
noch kleiner als das Rotavirus ist: den lediglich 27 Nanometer kleinen
Bakteriophagen MS2, ein Virus, das Bakterien befällt, für Menschen aber
harmlos ist. Anhand dieses Modellvirus konnten die Wissenschaftler
zeigen, dass Viren im Wasser je nach pH-Wert unterschiedlich stark an
die Filteroberfläche adsorbieren. «Das muss bei der Entwicklung neuer
Wasseraufbereitungs- und Filtertechnologien bedacht werden», so Graule.
Poröse Nanobeschichtung
Um
Filtertechnologien zu entwickeln, die Viren im Nanometerbereich
einfangen können, setzt Graule auf Komposit-Werkstoffe, die so
funktionalisiert sind, dass sie Viren gezielt binden. «Im Wasser ist die
Oberfläche der Viruspartikel negativ geladen. Wir konnten zeigen, wie
sich die Viruspartikel an positiv geladenen Oberflächen festsetzen»,
erklärt er. So arbeitet der Forscher in einem internationalen Team etwa
an Keramikgranulat aus Aluminiumoxid, dessen feine Körnchen mit
Nanometer-dünnen Schichten von Kupferoxid überzogen werden. «Die stark
poröse Kupferschicht bildet mit der Keramik einen Verbundwerkstoff mit
einer positiv geladenen und immens grossen spezifischen Oberfläche», so
Graule. Auch winzige mehrlagige Kohlenstoffnanoröhrchen konnten die
Forschenden mit Kupferoxid beschichten und so eine Viruselimination
ermöglichen. Um eine kostengünstige und nachhaltige Filtertechnologie
zu entwickeln, setzt der Forscher gezielt Materialien ein, die sich im
Sinne eines geschlossenen Materialkreislaufs nach ihrem Gebrauch
zurückgewinnen lassen. Wichtig ist zudem, dass keine Filterbestandteile
ins gereinigte Wasser ausgeschwemmt werden. Hierzu müssen noch
Analyseverfahren zur Nanosicherheit entwickelt werden, damit der
optimale Verbundwerkstoff ermittelt werden kann. Am Ende soll eine
Filtertechnologie vorliegen, die sich auch für die Wasseraufbereitung in
Entwicklungsländern mit ihren besonders hohen Fallzahlen an
Rotavirus-Erkrankungen und anderen im Wasser übertragbaren Krankheiten
eignet.
Krankheitserreger im Trinkwasser
Weltweit
sterben jedes Jahr rund 3.4 Millionen Menschen, meist Kinder in
strukturschwachen Ländern, an Krankheiten, die mit dem Wasser übertragen
werden. Unter den Erregern finden sich einzellige Parasiten, wie Amöben
und Lamblien mit einer Grösse von bis zu 40 Mikrometern. Bakterien, wie
Salmonellen, die Typhus verursachen, E. coli-Keime und Cholera-Erreger
sind deutlich kleinere (0.5 bis 6 Mikrometer), aber ebenso potente
Krankheitskeime. Mit einer Grösse von 25 bis 80 Nanometern – also rund
100- bis 1000-mal kleiner – stellen Viren die am schwierigsten aus dem
Wasser zu filtrierenden Pathogene dar. Besonders schwerwiegend ist die
Belastung von Trinkwasser etwa in Entwicklungsländern mit Rotaviren,
gefolgt von anderen Viren, wie den Erregern von Hepatitis und
Kinderlähmung.