Wie Plastik das Leben im Ozean beeinträchtigt, ist eine der drängenden Fragen der Meeresforschung. Eine neue Studie des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) befasst sich mit der Auswirkung von Mikroplastik auf Korallen.
Von Mikroplastik spricht man, wenn die Plastikpartikel 5 mm und
kleiner sind. Im Meer entsteht es, indem sich Plastikmüll durch Reibung,
Salz, Bakterien oder UV-Strahlung zersetzt. Eine weitere, bisher kaum
beachtete Quelle sind Anstriche und Lacke von Schiffen, die beachtliche
Mengen an abgeplatzten Kunststoffteilchen in ihrem Kielwasser
hinterlassen. Die winzigen Plastikpartikel werden aber auch vielen
industriell hergestellten Produkten zugesetzt, wie Kosmetikartikeln oder
Waschmitteln, und gelangen durch Abwässer ins Meer.
Heutzutage
ist Mikroplastik fast überall im Ozean zu finden, vom Wattenmeer bis in
die Tiefseegräben, von den tropischen Korallenriffen bis ins arktische
Meereis. Jedes Jahr gelangen laut Weltnaturschutzunion (IUCN) an die 1,5
Millionen Tonnen Mikroplastik in die Ozeane – zusätzlich zu geschätzten
fünf bis zwölf Millionen Tonnen Makroplastik.
Es ist bekannt,
dass sich Meerestiere und Vögel in Plastiknetzen verfangen oder
Plastikmüll verschlucken können. Aber sind auch die winzigen
Plastikteilchen für die Fauna eine Gefahr? Die Polypen der Korallen
beispielsweise ernähren sich unter anderem von organischen Partikeln,
die sie mit ihren Tentakeln einfangen. Es stellt sich die Frage, ob sie
sich so auch Plastikfragmente einverleiben, die dann nicht abgebaut
werden können.
Am ZMT untersuchten Mitarbeiter der Arbeitsgruppe
von Prof. Dr. Hildegard Westphal die Kontamination von Korallen mit
Mikroplastik. In der Meerwasseranlage des ZMT setzten sie fünf Monate
lang Exemplare von vier verschiedenen Steinkorallenarten alle zwei
Wochen für einen Tag in ein Becken, dessen Wasser mit winzigen
Plastikpartikeln angereichert war. Danach fertigten sie speziell
angefärbte Dünnschliffe der Korallenstücke an und untersuchten sie im
Licht- und Rasterelektronenmikroskop.
Es zeigte sich, dass
Korallenpolypen die Fremdkörper als solche erkennen und wieder
ausscheiden können. Die Versuche offenbarten jedoch, dass die
Plastikpartikel nicht in allen Fällen den Weg aus der Mundhöhle
herausgefunden hatten. In rund einem Drittel der untersuchten
Dünnschliffe fanden sich ein oder mehrere Partikel direkt am Übergang
zum Kalkskelett der Korallen, oder sie waren bereits dort eingebaut.
Mithilfe
der Dünnschliffe konnten die Forscher rekonstruieren, wie die
Mikropartikel ins Skelett gelangen. „Möglicherweise geben die
Plastikteilchen im Verdauungstrakt der Polypen Gifte wie Weichmacher ab,
oder es entstehen mechanische Reizungen, die ihr Gewebe nicht
verträgt“, vermutet der Geologe Florian Hierl, Erstautor der Studie. Um
den Fremdkörper herum stirbt das Gewebe ab und schiebt den Partikel in
Richtung Kalkskelett, das die Polypen der Steinkorallen an ihrem Fuß
ausscheiden. Im Laufe der Zeit überwuchern weitere Kalkablagerungen den
Fremdkörper, bis er im Skelett einzementiert ist.
Zu seiner
Überraschung fand Hierl auch noch winzige Kunststofffasern im
Kalkskelett der Korallen, die dem Wasser im Versuch gar nicht zugegeben
worden waren. Kleine Faserteile von synthetischen Textilien, die beim
Waschen freigesetzt werden, gehören zu den wichtigsten Quellen für
Mikroplastik. Sie können mit den Abwässern ins Meer gespült werden.
„Vermutlich haben die Fasern das Meersalz verunreinigt, das wir in
unserer Anlage dem Wasser zusetzen“, so Hierl. „Die mikroskopisch
kleinen Kunststoffpartikel finden sich mittlerweile fast überall in
unserer Umwelt.“
Der Kalk von Steinkorallen und anderen
Rifforganismen ist die Basis für den Aufbau und die Stabilität von
tropischen Korallenriffen und vielen benachbarten Inseln und Küsten.
„Was genau solche Kontaminationen im Skelett der Korallen bewirken,
können wir noch nicht sagen“, meint Hierl. „Möglicherweise wirken sie
sich auf die Vitalität der Korallen und die Robustheit ihrer Skelette
aus. Ein instabiles Korallenskelett kann dann dazu führen, dass die
Koralle bei starkem Wellengang oder Stürmen leichter zu Bruch geht.“
Und
nicht zuletzt können die Plastikteile der Korallen auch in die
Nahrungskette geraten, etwa durch Papageienfische, die mit ihrem
schnabelartigen Maul das Kalkskelett von Korallen anknabbern. Vor allem
in Ländern Südostasiens stehen diese Fische regelmäßig auf dem
Speiseplan.
Quelle: Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) (04/2021)
Publikation: Hierl,
F., Wu, H.C. & Westphal, H. Scleractinian corals incorporate
microplastic particles: identification from a laboratory study. Environ
Sci Pollut Res (2021). https://doi.org/10.1007/s11356-021-13240-x