Korallen erfolgreich im Labor vermehrt |
Einen ganz besonderen Erfolg können Oldenburger Wissenschaftler des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg verbuchen: In ihren Aquarien am Standort Wilhelmshaven gelang bundesweit erstmals die Vermehrung von Steinkorallen. Das Team um Prof. Dr. Peter Schupp von der Arbeitsgruppe Umweltbiochemie stellte die Umweltbedingungen im Labor so nach, dass sie denen im Pazifischen Ozean – der Heimat der Korallen – entsprachen.
Die Tiere vermehrten sich sexuell, was weltweit erst wenige Male gelang.
„Das ist ein großer Schritt für die Korallenforschung in Deutschland“,
sagt Dr. Samuel Nietzer, der die Wilhelmshavener Aquarienanlage leitet.
Die sexuelle Vermehrung eröffne wichtige neue Forschungsmöglichkeiten –
etwa, die Ansiedelung von Korallenlarven und das Wachstum von
Jungkorallen gezielt zu untersuchen.
Die verwendeten
Acropora-Korallen gehören zur wichtigsten Gattung der Steinkorallen und
kommen in natürlichen Korallenriffen sehr häufig vor. Die Hohltiere
laichen nur einmal im Jahr. Dabei geben tausende Korallen ihre Eizellen
und Spermien gleichzeitig ins Wasser ab. Dieses exakt synchronisierte
Massenereignis findet nur unter ganz besonderen Bedingungen statt, was
die Vermehrung im Aquarium schwierig macht: Wenn Tageslänge, Mondzyklus
und Klimafaktoren nicht genau mit den natürlichen Bedingungen
übereinstimmen, produzieren die Korallen keine Nachkommen. Die gängige
Methode zur gezielten Vermehrung ist daher bislang die Fragmentierung.
Dabei wird eine große Koralle in kleinere Teile gebrochen, die schnell
wachsen und in Aquarien oder bei der Riffaufforstung zum Einsatz kommen.
Diese Teilkorallen sind genetisch identisch, was sie anfällig gegenüber
Umweltveränderungen wie steigenden Wassertemperaturen macht. Sexuell
vermehrte Jungtiere könnten widerstandsfähiger sein und sich besser an
veränderte Bedingungen anpassen, so die Hoffnung der Experten.
Um
die Acropora-Korallen zum Ablaichen zu bringen, betrieben Schupp,
Nietzer und ihr Kollege Matthew Jackson einen großen technischen
Aufwand. Im Herbst vergangenen Jahres erweiterten sie die Aquarien in
Wilhelmshaven mit speziell für diesen Zweck designter Technik, um
australische Bedingungen realistisch herzustellen. Dabei simulierten sie
sowohl Wasserchemie und Mondzyklen als auch Parameter wie Tageslänge,
Beleuchtung und Temperatur. Die Forscher verwendeten Korallen aus
Australien, die sie über den Aquaristik-Handel bezogen hatten. Pünktlich
zum erwarteten Termin – etwa eine Woche nach Vollmond im Dezember – war
es so weit: Die Korallen gaben gleichzeitig ihre Eier und Spermien ins
Wasser ab. Die Keimzellen stiegen zur Oberfläche, wo Nietzer und Jackson
sie einsammelten. Die Forscher mischten jeweils Eier und Spermien aus
unterschiedlichen Korallenkolonien, um eine möglichst große genetische
Vielfalt bei den Jungtieren zu erreichen. „Wir haben eine annähernd
hundertprozentige Befruchtungsrate erreicht und konnten nach wenigen
Tagen rund 50.000 entwickelte Larven zur Ansiedlung bringen“, berichtet
Nietzer. Inzwischen seien die größten der überlebenden Nachkommen
bereits einen Zentimeter groß.
Mit den hier gewonnenen Larven und
Jungkorallen wollen die Forscher nun Faktoren identifizieren, die
Ansiedlung und Wachstum der Korallen fördern. Aber auch Umwelteinflüsse
wie Meeresverschmutzung stehen im Fokus der Forschung. „Wir gehen davon
aus, dass durch neue Erkenntnisse und Methoden bei der Aufzucht in
Zukunft große Mengen an Jungkorallen gezüchtet und die dabei
entwickelten Methoden beispielsweise bei der Riffaufforstung an
geschädigten Riffen und der Korallenforschung eingesetzt werden können“,
erklärt Schupp. Zudem falle der große logistische Aufwand weg, für die
Gewinnung von Jungkorallen zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Heimat
der Korallen reisen zu müssen.
Den Artikel finden Sie unter:
https://uol.de/aktuelles/artikel/korallen-erfolgreich-im-labor-vermehrt-4956
Quelle: Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg (04/2021)
Publikation: https://gut.bmj.com/content/early/2021/03/10/gutjnl-2020-321663 |