Höhere ausgebrachte Toxizität gefährdet Pflanzen und Insekten |
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau haben nachgewiesen, dass die in der Landwirtschaft ausgebrachte Giftigkeit von Pflanzenschutzmitteln (Pestizide) für Pflanzen und Insekten erheblich zugenommen hat. In einem Artikel, der in der aktuellen Ausgabe der amerikanischen Fachzeitschrift Science erscheint, zeigen die Autoren außerdem, dass dieser Anstieg auch bei genetisch veränderten Nutzpflanzen zutrifft, die eigentlich die Pestizidbelastung für die Umwelt reduzieren sollten.
„Wir haben umfangreiche Daten über die Anwendung von Pestiziden
in den USA ausgewertet, die eingesetzten Pestizidmengen in Bezug zu
ihrer Giftigkeit gesetzt und somit eine ‚ausgebrachte Toxizität‘
berechnet“, sagt Umweltwissenschaftler Prof. Dr. Ralf Schulz, Hauptautor
der Studie aus Landau. „Dadurch erhalten wir einen ganz neuen Blick auf
die möglichen Risiken für Umwelt und Biodiversität, die von der
Ausbringung von Pestiziden ausgehen.“
Die Gesamtmenge der
eingesetzten Insektenbekämpfungsmittel (Insektizide) hat in den USA
zwischen 1992 und 2016 um 40 Prozent abgenommen. Davon profitieren
Fische, Säugetiere und Vögel, da diese Abnahme vor allem auf bestimmte
Insektizidklassen wie Organophosphate und Carbamate zurückgeht, die für
diese Gruppen problematisch sind. Jedoch zeigt sich für wirbellose
Tiere, wie zum Beispiel Krebstiere oder Insekten, und besonders für
Bestäuber, wie zum Beispiel Bienen, ein anderes Bild: Trotz der
geringeren Insektizidmenge hat sich die ausgebrachte Toxizität für diese
Gruppen zwischen 2005 und 2015 mehr als verdoppelt. Für Wirbellose in
Gewässern geht dieser Anstieg auf die in sehr geringen Konzentrationen
wirksamen Pyrethroide zurück, für Bestäuber auf die in den USA stark
gestiegene Anwendung von Neonikotinoiden. Pyrethroide und Neonikotinoide
sind aktuell häufig verwendete, hochwirksame Insektizide.
Die
ausgebrachte Toxizität bei Unkrautbekämpfungsmitteln (Herbizide) hat
ebenso wie die eingesetzten Mengen stark zugenommen. Vor allem Pflanzen
sind hier stärkeren Gefährdungen ausgesetzt. Die gleichzeitige Zunahme
von Gefahren für Pflanzen und für Bestäuber, die ökologisch oftmals
direkt voneinander abhängen, deutet auf besondere Pestizidrisiken hin,
welche die Artenvielfalt von Pflanzen und Insekten bedrohen. Genetisch
veränderte Kulturpflanzen wurden unter anderem entwickelt, um den
Einsatz chemischer Pestizide deutlich reduzieren zu können. Die
Ergebnisse der neuen Studie zeigen nun selbst für die beiden in den USA
wichtigsten genetisch veränderten Anbaupflanzen Mais und Soja, dass die
ausgebrachte Toxizität chemischer Pestizide für Wirbellose in Gewässern
sowie Bestäuber und Pflanzen an Land genauso stark zugenommen hat wie in
der konventionellen Landwirtschaft.
Wie die Autoren der Studie
anführen, sind die Ergebnisse auf viele andere Regionen der Welt mit
intensiver Landwirtschaft übertragbar. Nicht immer sind aber Daten frei
verfügbar, die nötig sind, um die Unterschiede in den
landwirtschaftlichen Pestizidanwendungen verschiedener Länder und
Regionen abzubilden. Ralf Schulz betont: „Unsere Ergebnisse stellen die
Aussage einer über die Zeit sinkenden Auswirkung von Pestiziden auf die
Umwelt für konventionelle und genetisch veränderte Kulturen in Frage und
belegen den Bedarf für eine globale Reduktion der ausgebrachten
Toxizität von Pestiziden.“
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-koblenz-landau.de/de/aktuell/archiv-2021/studie-zur-toxizitaet-von-pestiziden/view
Quelle: Universität Koblenz-Landau (04/2021)
Publikation: Ralf
Schulz, Sascha Bub, Lara L. Petschick, Sebastian Stehle, and Jakob
Wolfram (2021): Applied pesticide toxicity shifts towards plants and
invertebrates, even in GM crops. Science; https://doi.org/10.1126/science.abe1148 |