Tattoo aus Goldnanopartikeln revolutioniert medizinische Diagnostik |
Die Idee von implantierbaren Sensoren, die kontinuierlich Informationen über Vitalwerte oder Konzentrationen von medizinisch relevanten Stoffen und Medikamenten im Körper liefern, fasziniert Ärzte und Wissenschaftler seit Langem. Denn so können sie Krankheitsverläufe und Therapieerfolge ständig beobachten. Allerdings können solche Sensoren bisher noch nicht dauerhaft im Körper verbleiben, sondern müssen spätestens nach wenigen Tagen oder Wochen ausgetauscht werden. Zum einen erkennt der Körper das Implantat als fremd und stößt es ab. Zum anderen verblasst mit der Zeit die Farbe, die als Indikator für Konzentrationsänderungen eines bestimmten Stoffes dient. Ein Forschungsteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat einen neuartigen implantierbaren Sensor entwickelt, der mehrere Monate im Körper verwendet werden kann. Grundlage dafür sind farbstabile Goldnanopartikel, die mit Rezeptoren für bestimmte Moleküle versehen werden. Eingebettet in eine Art künstliches Gewebe aus Polymeren wird das Nanogold unter die Haut implantiert, wo es als Reaktion auf Konzentrationsänderungen eines Arzneistoffes die Farbe wechselt.
Implantat übermittelt Informationen als „unsichtbares Tattoo“ durch die Haut
Die
Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Carsten Sönnichsen nutzt bereits seit Jahren
einzelne Goldnanopartikel als Sensoren zum Nachweis kleinster
Proteinmengen in mikroskopischen Flusszellen. Goldnanopartikel wirken
wie Antennen für Licht: Sie streuen und absorbieren es und sind deswegen
farbig. Auf Änderungen in ihrer Umgebung reagieren sie mit
Farbänderungen. Dieses Konzept hat sich das Forschungsteam um Sönnichsen
für die implantierte Sensorik zunutze gemacht.
Damit die
winzigen Nanopartikel im Körper nicht einfach wegschwimmen oder von
Immunzellen abtransportiert werden, haben die Forscherinnen und Forscher
sie in ein poröses Hydrogel mit gewebeähnlicher Konsistenz eingebettet.
Unter die Haut implantiert wachsen kleine Blutgefäße und Zellen in die
Poren ein. Das Implantat wird in das Gewebe integriert, eine
Fremdkörperabstoßung durch den Organismus verhindert. „Unseren Sensor
kann man sich wie ein unsichtbares Tattoo vorstellen, nicht viel größer
als ein Cent-Stück und dünner als ein Millimeter“, so Projektleiter
Sönnichsen. Da die Goldnanopartikel infrarot sind, kann unser Auge die
Farbe nicht wahrnehmen. Mit einem speziellen Messgerät kann das
Implantat aber nicht-invasiv durch die Haut sichtbar gemacht werden.
In
der im Fachjournal „Nano Letters" veröffentlichten Studie hat das
Forschungsteam der JGU die Farbänderung des Sensors nach Verabreichung
verschiedener Dosen eines Antibiotikums in haarlosen Ratten beobachtet.
Über die Blutbahn werden die Arzneistoffmoleküle zum Implantat
transportiert. Dort induzieren sie die Farbänderung, sobald sie von
spezifischen Rezeptoren auf der Oberfläche der Goldnanopartikel gebunden
werden. Die Kombination der farbstabilen Goldpartikel mit dem
einwachsenden Hydrogel führt dazu, dass der Sensor im Körper über
mehrere Monate mechanisch und optisch stabil bleibt.
Potenzial von Goldnanopartikeln als langlebige implantierbare Sensoren in der Medizin ist groß
„Von
farbigen Objekten sind wir es gewohnt, dass sie mit der Zeit
ausbleichen. Bei Goldnanopartikeln passiert das nicht, sie behalten
dauerhaft ihre Farbe. Weil sie relativ einfach mit verschiedenen
Rezeptoren beschichtet werden können, eignen sie sich sehr gut als
Plattform für implantierbare Sensoren“, erklärt Dr. Katharina Käfer,
Erstautorin der Studie.
Das neue Konzept ist generalisierbar und
hat das Potenzial, die Lebensdauer von implantierbaren Sensoren deutlich
zu verlängern. In Zukunft könnten mit Goldnanopartikel-basierten
Implantaten die Konzentrationen verschiedener Biomarker oder Medikamente
im Körper gleichzeitig verfolgt werden. Denkbar ist der Einsatz in der
Arzneistoffentwicklung, der medizinischen Forschung oder der
personalisierten Medizin, beispielsweise zur Therapie chronischer
Erkrankungen.
Fachübergreifende Teamarbeit brachte Erfolg
Die
Idee, Goldnanopartikel als implantierbare Sensoren zu nutzen, hatte
Sönnichsen bereits 2004, kurz bevor er als Juniorprofessor der
biophysikalischen Chemie an der JGU begann. In Gang kam das Projekt erst
zehn Jahre später durch die Zusammenarbeit mit Dr. Thies Schroeder und
Dr. Katharina Käfer, beide wissenschaftliche Mitarbeiter an der JGU. Aus
seiner langjährigen Forschungsarbeit in den USA brachte Schroeder
Erfahrungen im biologischen und tierexperimentellen Bereich mit. Käfer
war damals auf der Suche nach einem spannenden Thema für ihre Promotion
und ließ sich von dem komplexen fachübergreifenden Projekt nicht
abschrecken. Mit den ersten Ergebnissen konnten ein Stipendium des Max
Planck Graduate Center für Katharina Käfer sowie eine
Forschungsförderung der Stiftung Rheinland-Pfalz für Innovation
eingeworben werden. „Für ein solches Projekt braucht man viele Leute mit
Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen und nach und nach konnten
wir immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Idee
begeistern“, freut sich Sönnichsen. Schlussendlich führte diese
interdisziplinäre Teamarbeit zum Ziel eines ersten funktionierenden
implantierbaren Sensors mit Goldnanopartikeln.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/13376_DEU_HTML.php
Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz (03/2021)
Publikation: K.
Kaefer et al., Implantable Sensors Based on Gold Nanoparticles for
Continuous Long-Term Concentration Monitoring in the Body, Nano Letters,
30. März 2021, DOI:10.1021/acs.nanolett.1c00887 |