Röntgen-Photoelektronen-Spektrometer analysiert den Lebenszyklus von Katalysatoren
Sie beschleunigen chemische Prozesse, ohne sich selbst zu verbrauchen, heißt es landläufig über Katalysatoren. Und doch kann ihre Wirkung mit der Zeit nachlassen. Was sich dabei an ihrer Oberfläche auf atomarer Ebene abspielt, erkundet in Rostock ein hochmodernes Gerät: das neue X-ray (Röntgen)-Photoelektronen-Spektrometer (XPS) am Leibniz-Institut für Katalyse. Es beschießt Atome an der Oberfläche einer Probe mit Röntgenstrahlen und löst Elektronen heraus. „An der Energie, die dazu erforderlich ist, erkennen wir Charakter und Zustand des Atoms, von dem sie stammen“, erläutert Dr. Stephan Bartling. Er hat die Beschaffung des NAP-XPS geleitet und das Gerät für den Routinebetrieb vorbereitet.
Neue Möglichkeiten für Highend-Analytik
Konventionelle
Röntgen-Photoelektronen-Spektrometer arbeiten nur im Ultrahochvakuum
von 10-9 Millibar, das ist der millionstel Teil des normalen
Atmosphärendrucks. Nur so lässt sich die Energie der vom Röntgenstrahl
herausgelösten Photoelektronen exakt ermitteln, denn sie dürfen auf
ihrem Weg nicht mit anderen Teilchen in der Luft kollidieren. Auch
das LIKAT forschte bisher mit so einem XPS im Hochvakuum. Doch das ist
nicht die übliche Reaktionsumgebung für Katalysatoren. „Für bestimmte
Messungen braucht es einfach realistische Analyse-Bedingungen“, sagt
Bereichsleiterin Prof. Dr. Angelika Brückner. Analysen in der Messkammer
des neuen Geräts erfolgen in Gegenwart von (reaktiven) Gasen, daher der
Name NAP: Near Ambient Pressure. Mit diesem Hightech-Instrument lässt
sich u.a. die Funktion von Katalysatoren künftig in situ – d.h. unter
reaktionsnahen Bedingungen – analysieren und optimieren.
1,1 Mio Euro aus EFRE-Mitteln
Katalyse
ist, wie Angelika Brückner erläutert, „im weitesten Sinne ein
Oberflächenphänomen“. Ein Gas- oder Flüssigkeitsgemisch strömt z.B. an
einem porösen, oft metallischen Katalysator entlang, und allein dieser
oberflächliche Kontakt sorgt für die gewünschte Reaktion. Die Atome an
der Oberfläche des Katalysators spielen in diesem Prozess mit und können
dabei mitunter ihre Aktivität einbüßen, z.B. durch irreversible
Änderungen ihres Oxidationszustandes oder durch Ablagerungen. Stephan
Bartling: „Indem wir mit dem NAP-XPS Photoelektronen der äußeren
Atomlagen eines Materials untersuchen, können wir präzise erkennen, was
mit den Atomen an der Katalysatoroberfläche während einer Reaktion
passiert.“ Mit den Messungen lässt sich gewissermaßen der Lebenszyklus
eines Katalysators abbilden. Während die meisten NAP-XP-Spektrometer
an Synchrotronquellen installiert und nur eingeschränkt verfügbar sind,
ist die neue Generation dieser Geräte auch im normalen Laborbetrieb
einsetzbar. Im Norden Deutschlands ist das NAP-XPS am LIKAT das einzige
Laborgerät, bundesweit steht knapp ein Dutzend dieser Geräte bereit und
weltweit befinden sich vielleicht 60 Maschinen im Laboreinsatz. Für die
Rostocker Anschaffung flossen 1,1 Mio Euro aus dem Europäischen Fonds
für regionale Entwicklung (EFRE), der vor allem dem Ausbau der
interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Unternehmen
dienen soll.
Oxidation von CO in Brennstoffzellen
Eine
der ersten Analyse-Anfragen betraf denn auch einen regional wie
international immer stärker favorisierten Bereich, die
Wasserstofftechnologie, genauer: Lebensdauer und Effizienz von
Brennstoffzellen. Angelika Brückner erläutert das Problem: Wasserstoff,
der eigentliche Brennstoff für diese Zellen, enthält technologiebedingt
stets Spuren von Kohlenmonoxid, CO. CO aber ist Gift für diese Technik,
es schädigt die Edelmetall-Elektroden. „Als Chemiker entfernen wir das
CO durch Oxidation zu CO2. Dazu setzen wir Sauerstoff ein. Und die Hürde
besteht darin, den Sauerstoff daran zu hindern, dass er den Wasserstoff
gleich mit oxidiert.“ Den braucht die Brennstoffzelle ja als
Treibstoff. Um das Problem zu lösen, wird in Labors weltweit mit
unterschiedlichen Katalysatoren experimentiert. Am LIKAT ist es u.a. ein
kupferhaltiger Katalysator auf Basis von Ceroxid, eines
Seltenerd-Metall-Oxids, das für seine starke Oxidationskraft bekannt
ist. Vereinfacht gesagt spendiert in diesem Falle das Ceroxid den
Sauerstoff für die Oxidation von CO, wodurch es selbst reduziert und
damit inaktiv wird. Um das zu verhindern, muss es zugleich gasförmigen
Sauerstoff wieder einfangen, bevor der sich am Wasserstoff zu schaffen
macht. Das bedeutet, die Oberflächenatome eines guten Katalysators
(in diesem Fall Cer) müssen schnell und reversibel ihre Oxidationsstufe
wechseln. „Mit unserem neuen Gerät“, sagt Dr. Bartling, „konnten wir
sehr schön beobachten, wie diese ‚Redoxschaukel‘ bei verschiedenen
Temperaturen und Gaszusammensetzungen funktioniert.“
Publikation: Elucidating
the Nature of Active Sites and Fundamentals for their Creation in
Zn-Containing ZrO2?Based Catalysts for Nonoxidative Propane
Dehydrogenation S. Han, D. Zhao, T. Otroshchenko, H. Lund, U.
Bentrup, V. A. Kondratenko, N. Rockstroh, S. Bartling, D. E. Doronkin,
J.-D. Grunwaldt, U. Rodemerck, D. Linke, M. Gao, G. Jiang, E. V.
Kondratenko, ACS Catal. 2020, 10, 8933-8949. https://doi.org/10.1021/acscatal.0c01580