Der landwirtschaftliche Anbau des Grundnahrungsmittels Reis birgt das Risiko einer möglichen Belastung mit Arsen, das über die Wurzeln in die Körner gelangen kann. Ein deutsch-chinesisches Forschungskonsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Hell vom Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg und Prof. Dr. Fang-Jie Zhao von der Landwirtschaftlichen Universität Nanjing (China) hat nun bei der Untersuchung von über 4.000 Reisvarianten eine Pflanze entdeckt, die dem Giftstoff trotzt. Obwohl sie auf arsenbelasteten Feldern gedeiht, enthalten ihre Körner dennoch deutlich weniger Arsen als andere Reispflanzen. Zugleich verfügt diese Variante über einen hohen Anteil des Spurenelements Selen.
Wie die Forscher der Studie erläutern, gelangen vor allem in
asiatischen Anbaugebieten zunehmend größere Mengen des Halbmetalls Arsen
ins Grundwasser, etwa infolge von großflächigen Düngungen oder über
Klärschlamm. Da Reis auf unter Wasser stehenden Feldern angebaut wird,
saugt er über die Wurzeln besonders viel Arsen auf. Zu den Folgen
gehört, dass der potentiell krebserregende Stoff auf diese Weise in die
Nahrungskette gelangt. Die Arsenbelastung in einigen asiatischen Böden
ist nach Angaben von Prof. Hell mittlerweile so hoch, dass sie zu
bedeutenden Ernteverlusten führt, denn Arsen ist auch für Pflanzen
giftig.
Im Rahmen ihrer Forschungen haben die Wissenschaftler
über 4.000 Reisvarianten arsenhaltigem Wasser ausgesetzt und ihr
Wachstum beobachtet. Nur eine der untersuchten Pflanzen erwies sich
dabei als tolerant gegenüber dem giftigen Halbmetall. Was diese
Reisvariante mit dem Namen astol1 biologisch auszeichnet, ist eine
sogenannte Punktmutation in nur einem Protein: „Dieses Protein ist Teil
eines Sensor-Komplexes und kontrolliert die Bildung der Aminosäure
Cystein, die ein wichtiger Grundstoff für die Herstellung von
Phytochelatinen ist. Diese Substanzen besitzen eine entgiftende Wirkung
und werden von Pflanzen als Reaktion auf Schadstoffe gebildet, um diese
zu neutralisieren“, erklärt Prof. Hell, der mit seiner Forschungsgruppe
am COS die Funktion dieses sensorischen Komplexes erforscht. Das
neutralisierte Arsen wird in den Wurzeln der Pflanze eingelagert, bevor
es die essbaren Reiskörner erreicht und dem Menschen gefährlich werden
kann.
Im Feldversuch enthielten astol1-Reiskörner ein Drittel
weniger Arsen als herkömmliche Reiskörner, die ebenfalls dem
arsenhaltigen Wasser ausgesetzt waren. Die Forscher fanden zudem einen
um 75 Prozent erhöhten Anteil des lebensnotwendigen Spurenelements
Selen, das etwa an der Produktion von Schilddrüsenhormonen beteiligt
ist. Hinsichtlich der Kornausbeute unterscheidet sich astol1 nicht von
gängigen Hochertrag-Reisvarianten. Diese Pflanze eignet sich daher in
besonderer Weise für eine landwirtschaftliche Nutzung.
„In der
Zukunft könnten Reispflanzen wie astol1 in arsenbelasteten Regionen zur
Ernährung der Bevölkerung eingesetzt werden und zugleich einen Beitrag
zur Bekämpfung von ernährungsbedingtem Selenmangel leisten“, hofft Dr.
Sheng-Kai Sun. Der Nachwuchswissenschaftler war im Rahmen seiner
Promotion an der Landwirtschaftlichen Universität Nanjing maßgeblich an
der Entdeckung der Reisvariante beteiligt. Mit einem Stipendium der
Alexander von Humboldt-Stiftung forscht er seit dem vergangenen Jahr am
Centre for Organismal Studies in den Forschungsgruppen von Prof. Hell
und Dr. Markus Wirtz zum Sensor-Komplex von astol1.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-heidelberg.de/de/newsroom/reispflanze-trotzt-arsen
Quelle: Universität Heidelberg (03/2021)
Publikation: S.K.
Sun, X. Xu, Z. Tang, X.Y. Huang, M. Wirtz, R. Hell, F.J. Zhao: A
molecular switch in sulfur metabolism to reduce arsenic and enrich
selenium in rice grain (2021). Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-021-21282-5 |