Pflanzen zeigen polares Wachstum: Der Spross von Pflanzen wächst zum Licht, um dieses optimal nutzen zu können und die Wurzeln wachsen in Richtung des Erdmittelpunktes in den Boden. Wie die molekularen Mechanismen funktionieren, die diese Prozesse steuern, hat ein Team der Technischen Universität München (TUM) in Zusammenarbeit mit zwei Wiener Arbeitsgruppen nun genauer beschreiben können.
Pflanzen wachsen zum Licht. Dieses Phänomen, das schon Charles
Darwin faszinierte, ist allen bekannt, die Zimmerpflanzen besitzen.
Damit stellt die Pflanze sicher, dass sie das Licht optimal nutzen kann,
um Photosynthese zu betreiben und Zucker zu synthetisieren.
Gleichermaßen wachsen die Wurzeln in den Boden, um die Versorgung der
Pflanze mit Wasser und Nährstoffen zu gewährleisten.
Diese
Wachstumsprozesse werden von einem Hormon namens „Auxin“ gesteuert, das
bei der Ausbildung der Polarität in Pflanzen eine Schlüsselrolle spielt.
Dafür wird Auxin im Pflanzenkörper polar, vom Spross durch den
Pflanzenkörper in die Wurzel transportiert. Eine Familie von polaren
Transportproteinen verteilt das Auxin dabei in der Pflanze. Wie das
funktioniert konnte das Forschungsteam mit Hilfe einer Chemikalie
genauer untersuchen.
Wie das Herbizid Naptalam wirkt
Aufgrund
ihrer zentralen Rolle bei pflanzlichen Entwicklungsprozessen arbeiten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit daran, die
Transporterproteine genauer zu untersuchen. Naptalam (NPA) ist ein
wichtiges Hilfsmittel, um die Struktur der Transporter aufzuklären.
Naphthylphthalsäure
hemmt den gerichteten Auxin-Fluss, wodurch das Pflanzenwachstum stark
beeinträchtigt wird. In der Europäischen Union war die Chemikalie bis
2002 unter dem Namen Naptalam als Herbizid zugelassen. Das Natriumsalz
von Naptalam wird in den USA als Vorauflauf-Herbizid zur Bekämpfung von
Blattunkräutern bei Kürbisgewächsen und Baumschulbeständen bis heute
verwendet.
„Wir wollten wissen, wie Naptalam seine Wirkung
entfaltet“, sagt PD Dr. Ulrich Hammes, der Leiter der Studie. „Unsere
Untersuchungen zeigen, dass die Aktivität der Auxintransporter durch den
Hemmstoff wirklich vollständig zum Erliegen kommt.“ Durch die Bindung
von NPA an die Transportproteine kann kein Auxin mehr aus der Zelle
gelangen und damit ist die Pflanze nicht mehr in der Lage, polar zu
wachsen. Die Wurzeln wachsen dann nicht mehr zum Erdmittelpunkt und die
Blüten- und Samenbildung wird massiv gestört.
Eine Wirkung des
Hemmstoffes NPA auf die Aktivatoren der Transporter, so genannte
Kinasen, konnte durch die Zusammenarbeit mit Claus Schwechheimer,
Professor für Systembiologie der Pflanzen an der TUM, an dessen
Lehrstuhl die Arbeiten durchgeführt wurden, ausgeschlossen werden. Er
erklärt: „Damit ist klar, dass der Hemmstoff NPA direkt auf die
Transportproteine wirkt.“
Wie Transportproteine zur Pflanzenentwicklung beitragen
„Wir
können jetzt den molekularen Mechanismus, mit dem polares Wachstum der
Pflanzen pharmakologisch gestört werden kann, eindeutig erklären“, sagt
Ulrich Hammes.
Die Arbeitsgruppen in Wien konnten zeigen, dass
Naptalam die Transporter nicht nur bindet, sondern auch verhindert, dass
die Transporter aneinander binden können. „Dieser Mechanismus des
Aneinanderbindens scheint bei der Familie von Auxintransportern
universell zu gelten, da wir den Effekt in allen untersuchten
Transportern beobachten konnten“, sagt Martina Kolb, die Erstautorin der
Studie.
Besseres Verständnis der molekularen Zusammenhänge
Die
Studie stellt insgesamt einen wesentlichen Fortschritt zum Verständnis
des Mechanismus der molekularen Maschinerie der pflanzlichen Polarität
dar. Durch die neuen Erkenntnisse ist es möglich, das polare Wachstum
präziser zu untersuchen und den molekularen Mechanismus des
Auxintransportes zu verstehen.
An der TUM School of Life Sciences
in Weihenstephan arbeiten die Forschenden daher nun vertieft weiter an
der Charakterisierung polarer Auxintransportprozesse. „Wir hoffen in der
Lage zu sein, durch diesen Mechanismus die Wachstumsbewegungen der
Pflanze besser verstehen zu können“, sagt PD Dr. Hammes.
Publikation: Lindy
Abas, Martina Kolb, Johannes Stadlmann, Dorina P. Janacek, Kristina
Lukic, Claus Schwechheimer, Leonid A. Sazanov, Lukas Mach, Ji?í Friml,
and Ulrich Z. Hammes: Naphthylphthalamic acid associates with and
inhibits PIN auxin transporters. PNAS January 5, 2021 118 (1)