Geschärfter Blick ins Innere von Halbleitern |
Ein Forschungsteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena entwickelt ein hochauflösendes Bildgebungsverfahren weiter, mit dem sich zerstörungsfrei und nanometergenau innere Strukturen in Materialien sowie ihre chemische Zusammensetzung bestimmen lassen.
Bilder liefern Erkenntnisse. Was wir mit unseren eigenen Augen
beobachten können, lässt uns verstehen. Das Blickfeld stetig zu
erweitern, auch in Dimensionen, die dem bloßen Auge zunächst verborgen
sind, treibt die Wissenschaft voran: Immer leistungsfähigere Mikroskope
ermöglichen heute Einblicke in Zellen und Gewebe von Lebewesen, in die
Welt der Mikroorganismen ebenso wie in die unbelebte Natur. Doch auch
die besten Mikroskope haben ihre Grenzen. „Um Strukturen und Prozesse
bis auf nanoskalige Ebene und darunter beobachten zu können, brauchen
wir neue Methoden und Technologien“, sagt Dr. Silvio Fuchs vom Institut
für Optik und Quantenelektronik der Universität Jena. Das gelte
insbesondere für technologische Bereiche wie die Materialforschung oder
die Datenverarbeitung. „Elektronische Bauteile, Computerchips oder
Schaltkreise werden heute immer kleiner“, so Fuchs weiter. Gemeinsam mit
Kolleginnen und Kollegen hat er jetzt eine Methode weiterentwickelt,
die es ermöglicht, solche winzigen, komplexen Strukturen abzubilden und
zu untersuchen und dabei sogar zerstörungsfrei in diese „hineinsehen“ zu
können. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Optica“ stellen die
Forschenden ihre Methode – die Kohärenztomographie mit
extrem-ultraviolettem Licht (kurz XCT) – vor und zeigen ihr Potenzial
für Forschung und Anwendung auf.
Licht dringt in die Probe ein und wird an inneren Strukturen reflektiert
Ausgangspunkt
für das Bildgebungsverfahren ist die sogenannte Optische
Kohärenz-tomographie (OCT), wie sie seit einigen Jahren in der
Augenmedizin etabliert ist, erläutert Doktorand Felix Wiesner, der
Erstautor der vorgelegten Studie. „Diese Geräte sind entwickelt worden,
um die Netzhaut im Auge nichtinvasiv Schicht für Schicht untersuchen zu
können und so 3-dimensionale Abbildungen zu erstellen.“ Beim OCT beim
Augenarzt wird die Netzhaut mit infrarotem Licht beleuchtet. Die
Strahlung ist dabei so gewählt, dass sie vom zu untersuchenden Gewebe
nicht zu stark absorbiert und an den inneren Strukturen reflektiert
werden kann. Die Jenaer Physiker nutzen für ihr OCT statt langwelligem
Infrarot- aber extrem kurzwelliges UV-Licht. „Das liegt an der Größe der
Strukturen, die wir abbilden wollen“, sagt Felix Wiesner. Um in
Halbleitermaterialien mit Strukturgrößen von wenigen Nanometern
hineinschauen zu können, braucht es Licht mit einer Wellenlänge von
ebenfalls nur wenigen Nanometern.
Nichtlinear optischer Effekt erzeugt kohärentes extrem kurzwelliges UV-Licht
Solch
extrem kurzwelliges UV-Licht (XUV) zu erzeugen, war bislang eine
Herausforderung und fast ausschließlich in Großforschungsanlagen
möglich. Die Jenaer Physiker erzeugen breitbandiges XUV aber in einem
gewöhnlichen Labor und nutzen dafür sogenannte Hohe Harmonische. Dabei
handelt es sich um Strahlung, die durch Wechselwirkung von Laserlicht
mit einem Medium entsteht und ein Vielfaches der Frequenz des
ursprünglichen Lichtes aufweist. Je höher die Harmonischenordnung um so
kürzer die resultierende Wellenlänge. „Wir erzeugen so mit infraroten
Lasern Licht mit einer Wellenlänge zwischen 10 bis 80 Nanometern“,
erklärt Prof. Dr. Gerhard Paulus. „Wie das eingestrahlte Laserlicht ist
auch das resultierende breitbandige XUV-Licht kohärent, hat also
laserartige Eigenschaften“, macht der Professor für Nichtlineare Optik
der Uni Jena deutlich.
In der nun veröffentlichten Arbeit haben
die Physiker nanoskopische Schichtstrukturen in Silizium mit der
kohärenten XUV-Strahlung beleuchtet und das reflektierte Licht
analysiert. Die Siliziumproben enthielten in unterschiedlicher Tiefe
dünne Schichten anderer Metalle wie Titan oder Silber. Da diese
Materialien andere Reflexionseigenschaften aufweisen als das Silizium
lassen sich diese in der reflektierten Strahlung nachweisen. Die Methode
ist dabei so empfindlich, dass damit nicht nur nanometergenau die
Tiefenstruktur der winzigen Proben abgebildet werden kann, sondern –
über das unterschiedliche Reflexionsverhalten – auch die chemische
Zusammensetzung der Proben exakt und vor allem zerstörungsfrei bestimmt
werden kann. „Das macht eine Anwendung der Kohärenz-Tomographie zur
Inspektion von Halbleitern, Solarzellen oder mehrschichtigen optischen
Bauelementen interessant“, unterstreicht Paulus. Sie ließe sich zur
Qualitätskontrolle im Herstellungsprozess solcher Nanomaterialien
einsetzen, um interne Defekte oder chemische Verunreinigungen
aufzuspüren.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-jena.de/210216_XCT_Paulus_Fuchs
Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena (02/2021)
Publikation: Wiesner
F. et al. Material-specific imaging of nanolayers using extreme
ultraviolet coherence tomography, Optica (2021), DOI:
10.1364/OPTICA.412036 |