Auch Bakterien können die Zeit messen |
Biologische Rhythmen sind in der Natur weit verbreitet: Für Pflanzen und Tiere ist gut belegt, dass ihre Lebensfunktionen von einer circadianen Uhr gesteuert werden und in Zyklen synchron zur Umwelt – etwa dem Tag-Nacht-Wechsel – ablaufen. Gestellt wird die innere Uhr von sogenannten Zeitgebern, beispielsweise dem Tageslicht. Auf diese Weise können Lebewesen sich besser an rhythmische Veränderungen der Umwelt anpassen und evolutionäre Vorteile gewinnen. Obwohl Bakterien 12 Prozent der Biomasse auf der Erde ausmachen und sowohl ökologisch als auch für Gesundheit und Biotechnologie wichtig sind, ist über ihre circadiane Uhr nur wenig bekannt. Wissenschaftlern um die LMU-Chronobiologen Martha Merrow, Zheng Eelderink-Chen and Francesca Sartor ist es nun erstmals gelungen, circadiane Rhythmen bei einem nicht-photosynthetischen Bakterium nachzuweisen. Dies kann zu einem tiefgreifenderen Verständnis der molekularen Mechanismen dieses fundamentalen Prozesses beitragen.
Überzeugende Hinweise auf bakterielle innere Uhren fanden
Forscher bisher nur bei Photosynthese-betreibenden Bakterien wie dem
Cyanobakterium Synechococcus. „Dies erscheint auch logisch, da sie Licht
zur Energiegewinnung benötigen“, sagt Merrow. Ob auch
nicht-photosynthetische Bakterien einen circadianen Rhythmus besitzen,
untersuchten die Wissenschaftler nun am Beispiel des Bodenbakteriums
Bacillus subtilis. Von diesem Bakterium ist bekannt, dass es
Photorezeptoren für blaues Licht besitzt, die denjenigen ähneln, mit
denen die innere Uhr des Pilzes Neurospora crassa gestellt wird.
Die
Wissenschaftler verglichen mithilfe von Hochdurchsatz-Messungen die
Genaktivität von B. subtilis bei konstanter Dunkelheit und bei Zyklen
von je 12 Stunden Licht und 12 Stunden Dunkelheit. Zusätzlich
untersuchten sie den Effekt von 24-Stunden-Zyklen der
Inkubationstemperatur. Dabei konzentrierten sie sich auf zwei Gene: Das
Gen ytvA codiert für den Fotorezeptor für blaues Licht und das Gen kinC
für ein Enzym, das an der Bildung von Biofilmen und Sporen beteiligt
ist. „Unsere Analysen zeigen, dass sich die Expression beider Gene mit
dem 24h-Hell-Dunkel-Zyklus synchronisiert und dann unter konstanten
Bedingungen weiter oszilliert“, sagt Merrow. „Wir haben damit zum ersten
Mal nachgewiesen, dass freilebende nicht-photosynthetische Bakterien
die Zeit messen können. Sie passen ihre molekularen Prozesse an die
Tageszeit an, indem sie Licht und Temperatur als Zeitgeber nutzen.“
Die
Wissenschaftler nehmen an, dass zahlreiche terrestrische Bakterien
einen cirkadianen Rhythmus haben. Dies könnte auf viele grundlegende
zelluläre Prozesse, die bisher nur unter statischen Bedingungen
untersucht wurden, ein neues Licht werfen und beispielsweise auch für
biotechnologische oder medizinische Anwendungen interessant sein.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2021/merrow_innereuhr.html
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München (01/2021)
Publikation: A circadian clock in a nonphotosynthetic prokaryote Zheng Eelderink-Chen, Jasper Bosman, Francesca Sartor, Antony N. Dodd, Ákos T. Kovács, Martha Merrow Science Advances 2021 |