Kicken der Atome induziert Transparenz |
Alle photoelektronischen Geräte funktionieren auf der Grundlage, dass die Materialien in ihnen Licht absorbieren, übertragen und reflektieren. Das Verständnis der Photoeigenschaften eines bestimmten Materials auf atomarer Ebene hilft nicht nur bei der Auswahl geeigneter Materialien für eine bestimmte Anwendung, sondern ermöglicht auch die gezielte Steuerung dieser Eigenschaften.
Nun haben Forscher*innen aus Italien, Deutschland und den
Vereinigten Staaten gezeigt, dass das ‘Kicken’ der Atome in einem CuGeO3-Kristall
mit einem Infrarot-Laserpuls das Material nicht nur transparent macht,
sondern dass die Transparenz auf einer ultraschnellen
Femtosekunden-Skala gesteuert werden kann.
Dieses Ergebnis ebnet
den Weg für die weitere Anwendung des Atomkicking-Schemas, um andere
Phänomene wie z.B. die Supraleitung zu verbessern. Die Ergebnisse dieser
Zusammenarbeit wurden in Nature Physics veröffentlicht.
Das
Design komplexer Materialien mit neuen Funktionalitäten ergibt sich oft
aus dem Zusammenspiel verschiedener Materiekomponenten, wie den
Elektronen und Kristallschwingungen - den sogenannten Phononen. Die
Kopplung zwischen diesen Materiekomponenten kann inkohärenter oder
kohärenter Natur sein. Während ersteres in der Regel durch die
temperaturbedingten Kernfluktuationen zustande kommt, wird letzteres
erreicht, wenn sich die Kristallschwingungen und die elektronischen
Anregungen mit gleicher Frequenz und konstanter Phasendifferenz im
Material ausbreiten.
Hier nutzen die Forscher die resonante Schwingungsanregung, um das Kristallfeld um die Cu2+-Ionen in einem CuGeO3-Kristall
kohärent zu steuern. Dieses Material ist vor allem aus zwei Gründen
ideal: Die Phononen können selektiv durch Laserpumpen im mittleren
Infrarot angeregt werden und die drei charakteristischen
d-d-Elektronenübergänge bei hoher Energie (etwa 1,7eV) sind von anderen
spektralen Merkmalen, die die Elektron-Phonon-Kopplung stören könnten,
isoliert.
Insbesondere die resonante Anregung IR-aktiver
Phononenmoden, die nichtlinear an Raman-aktive Phononenmoden gekoppelt
sind, führt zu einer kohärenten Schwingungsbewegung des apikalen
Sauerstoffs, die die Energie und Oszillatorstärke des Orbitalübergangs
zwischen verschiedenen Kristallniveaus an Cu2+-Ionen
dynamisch kontrolliert. Durch die Kontrolle der Parameter der
Phononenpumpschemata ist es dann möglich, eine Transparenz im
Energiefenster der d-d-elektronischen Übergänge zu erreichen.
"Es
ist faszinierend, wie unterschiedliche Materieanregungen aus völlig
verschiedenen Energiebereichen kohärent interagieren und die
makroskopischen Eigenschaften eines Kristalls beeinflussen können", sagt
Simone Latini, Post-Doc und ehemaliger Humboldt-Stipendiat am MPSD.
"Wir untersuchen derzeit, ob ein ähnliches Phänomen auch anderswo zu
beobachten ist, und wir haben Hinweise, dass es in zweidimensionalen
Materialien wie WS? vorhanden sein könnte."
"Diese Studie zeigt,
wie weit wir experimentell in Bezug auf die Kontrolle von Materie mit
ultrakurzen Lichtpulsen gekommen sind", sagt Alexandre Marciniak, der
zusammen mit Stefano Marcantoni von der Universität Triest Erstautor
dieser Arbeit ist. "Es ist in der Tat bemerkenswert, wie wir die engen
mikroskopischen Beziehungen zwischen Anregungen in einem Material
enthüllen können und wie dieses Verständnis dabei helfen wird,
funktionale Geräte herzustellen, die bei Bedarf transparent werden
können."
Das Projekt, das hauptsächlich vom Europäischen
Forschungsrat (ERC) finanziell unterstützt wurde, wurde im Q4Q-Labor
unter der Leitung von Daniele Fausti von der Universität Triest beim
Elettra-Sincrotrone Trieste durchgeführt. Das theoretische Modell wurde
in der Gruppe von Fabio Benatti an der Universität Triest entwickelt, in
Zusammenarbeit mit Forschern aus der Gruppe von Ángel Rubio am MPSD und
Jeroen van den Brink am IFW / Institut für Theoretische Physik in
Dresden.
"Diese Arbeit eröffnet neue Wege zur Kontrolle und zum
Design von Phänomenen in korrelierten und topologischen Materialien“, so
MPSD-Theorie-Direktor Ángel Rubio.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.mpsd.mpg.de/494230/2021-01-transparent-marciniak?c=2724
Quelle: Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (01/2021)
Originalpublikation: https://doi.org/10.1038/s41567-020-01098-8 |