Klärschlämme und Plastikfolien kontaminieren die Felder
Die Auswertung von 23 Studien zum Thema „Globale Mikroplastik-Konzentrationen in Böden“ bestärkt Vermutungen über die schädigenden Auswirkungen auf Bodenorganismen.
Erstens: Ackerböden und Böden des Obst- und Gemüseanbaus zeigen
weltweit eine hohe Kontamination mit Mikroplastik-Partikeln.
Klärschlämme und der Einsatz großflächiger Plastikfolien (Mulchfolien),
die die Felder vor Verdunstung schützen und der Unkrautbekämpfung
dienen, sind eine bedeutende Ursache für diese Einträge. Dabei ist die
Kontamination der landwirtschaftlich genutzten Böden durch Klärschlämme
bis zu zehnmal so hoch wie durch Mulchfolien.
Zweitens: Städte
und stadtnahe Siedlungsgebiete sind ein Hotspot für
Mikroplastik-Kontamination. Die Konzentration von Mikroplastik in diesem
Umfeld ist im Vergleich zu ländlichen Gebieten bis zu zehnmal höher.
Drittens:
In den Ländern des globalen Nordens und den sich industriell
entwickelnden Ländern sind die Mengen an Mikroplastik im Boden ähnlich:
Gemessen wurden übliche Konzentrationen von bis zu 13.000 Partikeln
beziehungsweise 4,5 Milligramm an Mikroplastik in einem Kilogramm Boden.
Das
sind drei der Ergebnisse des aktuellen Reviews „Globale
Mikroplastik-Konzentrationen in Böden“, das jüngst im SOIL Journal
publiziert wurde. Die Autoren des Reviews sind Dr. Frederick Büks,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Bodenkunde, und Prof. Dr.
Martin Kaupenjohann, Leiter des Fachgebietes. Das SOIL Journal ist eine
bodenkundliche Fachzeitschrift der European Geosciences Union (EGU),
deren Artikel durch unabhängige Gutachter beurteilt
(Peer-Review-Verfahren) und unter einer Creative Commons Licence
veröffentlicht werden.
Die meisten Untersuchungen in China
In
dem Paper, das den aktuellen Forschungsstand zur Thematik „Globale
Mikroplastik-Konzentration in Böden“ darstellt, werteten die
Bodenkundler 23 Studien aus, in denen 230 Standorte untersucht worden
waren. „Die meisten Untersuchungen wurden in den vergangenen Jahren in
China durchgeführt – von den 23 Studien sind es immerhin elf mit 155
Standorten. Und in Asien ist es das einzige Land, in dem Forschungen zu
der Problematik in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden“, sagt Dr.
Frederick Büks. Sechs Studien stammten aus Europa, die anderen aus dem
Nahen Osten, Australien sowie Nord- und Südamerika. Aus Afrika gibt es
keine Daten.
Schlecht für Regenwurm und Käfer
Diesem
Review vorausgegangen war 2019 ein Review unter Leitung der beiden
TU-Wissenschaftler zu Auswirkungen von Mikroplastik auf Bodenorganismen
wie Regen-, Watt- und Fadenwürmer, Käfer, Spinnen, Milben und kleinste
Mehrzeller. In dieser Übersichtsstudie hatten sie Laborstudien
ausgewertet, die mit einem weiten Spektrum an
Mikroplastik-Konzentrationen arbeiteten. Es hatte sich gezeigt, dass
besonders die kleinsten Plastikpartikel – kleiner als 100 Mikrometer,
das sind 0,1 Millimeter – schon bei Konzentrationen unter zehn
Milligramm pro Kilogramm Boden den Stoffwechsel, die Fortpflanzung und
das Wachstum der Bodenorganismen schädigen. Diesen angenommenen
Laborwerten wollten die TU-Wissenschaftler nun tatsächlich im Feld
gemessene Werte gegenüberstellen. „Unsere aktuelle Überblicksstudie
zeigt übliche Konzentrationen von bis zu 4,5 Milligramm pro Kilogramm
Boden. Das heißt, dass die Konzentrationen, die tatsächlich in den Böden
gemessen wurden, im Bereich der Werte liegen, die in den Laborstudien
schädliche Effekte auf die im Boden lebenden Organismen bewirkt hatten.
Da Studien zeigen, dass ein größerer Teil dieses Bodenmikroplastiks aus
kleineren Partikeln besteht, müssen wir Schädigungen des Bodenlebens
befürchten“, sagt Büks und fügt an, „für die Wissenschaft ist das zwar
ein ‚gutes‘ Ergebnis, weil vorherige Studien bestätigt werden, aber
leider nicht für Regenwurm und Käfer.“ Drei Einflussfaktoren
Frederick
Büks analysierte die 23 Studien nach drei Einflussfaktoren:
Landnutzung, Eintragspfad und Umfeld. Landnutzung meint, ob es
landwirtschaftlich genutzte Flächen, Wälder, Naturschutzgebiete oder
Brachflächen sind, auf denen gemessen wurde. Der Eintragspfad
beschreibt, wodurch Mikroplastik in den Boden gelangt. Das kann unter
anderem über Klärschlamm, Plastikfolien, Reifenabrieb, in die Landschaft
geworfener Müll und Bewässerungswasser geschehen. Beim Umfeld
unterschieden die Wissenschaftler zwischen ländlichen, städtischen oder
industriellen Gebieten.
Belastbare Aussagen machen die 23 Studien
nur zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen, zu den Eintragspfaden
Klärschlamm und Mulchfolien sowie zu ländlichen und städtischen
Gebieten. Nur zwei Studien beschäftigten sich hingegen mit Mikroplastik
in Industriegebieten. Die Messungen ergaben zwar eine tausendfach höhere
Kontamination als in städtischen Gebieten. „Aber bei nur zwei Studien
müssen solche Standorte noch intensiv insbesondere auf ihr Potenzial zur
Kontamination der Umgebung untersucht werden“, sagt Dr. Frederick Büks.
Großer Forschungsbedarf
Insgesamt
konstatieren die Bodenkundler nach der Auswertung der 23 Studien einen
großen Forschungsbedarf. So liegen weder zu Wäldern, Naturschutzgebieten
und Brachflächen Daten vor noch zu den Eintragspfaden Reifenabrieb, in
die Landschaft geworfener Müll und Bewässerungswasser. „Aber selbst da,
wo die Datenlage gut ist, registrierten wir Defizite in der
Datenerfassung. In fast allen der 23 Studien fehlen Angaben zur
Bodenart, ob es also ein sandiger oder ein toniger Boden war, der
untersucht wurde. Auch Aussagen zur Historie des Standortes, ob sich die
Nutzung oder die Eintragspfade über die Jahre veränderten, waren nicht
zu finden“, resümiert Dr. Frederick Büks.
Besonders die Angaben
zum Bodentyp und zu deren biologischen, physikalischen und chemischen
Parametern seien wichtig, da davon auszugehen sei, dass unterschiedliche
Böden unterschiedliches Mikroplastik auch unterschiedlich speicherten
beziehungsweise transportierten. Diese sogenannte Grundkennzeichnung des
Bodens sei notwendig, um weitere Schlüsse ziehen zu können über die
schädigende Wirkung von Mikroplastik auf das Bodenökosystem.