Covid-19: Kontaminierte Oberflächen als Risikofaktor |
Die anhaltende COVID-19-Pandemie stellt weltweit eine Bedrohung für die Gesundheit von Millionen von Menschen dar. Atemwegsviren, zu denen der Erreger SARS-CoV-2 zählt, können sowohl über die Luft als auch durch den Kontakt mit kontaminierten Gegenständen übertragen werden. Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Technische und Makromolekulare Chemie der Universität Paderborn haben deshalb untersucht, was die Anhaftung von Viren an Oberflächen begünstigt. Dafür erforschten sie die Proteine der Virushülle. Die Ergebnisse könnten einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von COVID-19 leisten.
„Es ist allgemein bekannt, dass Coronaviren in erster Linie über
die Luft übertragen werden. Mehrere Studien haben inzwischen aber auch
die Übertragung durch kontaminierte Oberflächen als wichtigen Faktor
identifiziert. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass sie eine
Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Virusinfektionen spielen können.
Bislang ist jedoch wenig über die physikalisch-chemischen Mechanismen
der Wechselwirkungen bekannt und darüber, wie diese Interaktionen die
Lebensfähigkeit und Infektiosität der Viren beeinflussen“, erklärt
Physiker Dr. Adrian Keller, der an der Universität Paderborn die
Arbeitsgruppe „Nanobiomaterials“ leitet. Entsprechende Kenntnisse sind
laut Keller nicht nur im Hinblick auf die Entwicklung antiviraler
Beschichtungen wichtig, sondern auch für die Anpassung von
Sterilisations- und Desinfektionsprotokollen, wenn es beispielsweise zu
Engpässen bei Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln kommt.
Mithilfe
der Hochgeschwindigkeits-Rasterkraftmikroskopie können die Forscher die
sogenannte Adsorptions-, Diffusions- und Interaktionsdynamik – im
Grunde das Bewegungsverhalten – verschiedener Biomoleküle visualisieren.
„Konkret geht es um die Adsorption von Viruspartikeln auf abiotischen,
also nicht lebendigen Oberflächen. Dabei spielt eine besondere
SARS-CoV-2-Proteinuntereinheit eine wichtige Rolle. Sie stellt den
äußersten Punkt der charakteristischen Stachelhülle des Erregers dar,
man spricht hier auch von Spikes“, erklärt Keller.
Bei den
Oberflächen in den Experimenten handelte es sich um Oxid-Einkristalle,
die unterschiedliche Keimträger imitieren sollten und in Kontakt mit
proteinhaltigen Elektrolyten gebracht wurden. Letztere ähnelten in ihren
Eigenschaften menschlichen Schleimhautsekreten. Keller: „Die
Elektrolyte dienten dabei als Trägerflüssigkeit für die isolierten
Proteine. Ihre Salzkonzentrationen und pH-Werte wurden so eingestellt,
dass sie denen von Speichel oder Schleim ähnelten. Die Adsorption der
Proteine an den Oberflächen findet aus diesen Medien heraus statt und
soll die Situation simulieren, wenn abgehustete virenbeladene Tröpfchen
auf Oberflächen landen.“
Eines der zentralen Ergebnisse: Die
Adsorption des Spike-Proteins an den Oxidoberflächen wird durch
elektrostatische Wechselwirkungen gesteuert. Dazu Keller: „Dies führt
unter anderem dazu, dass das Spike-Protein auf Aluminiumoxid weniger
stark adsorbiert als auf Titanoxid. Unter gleichen Bedingungen und
Inkubationszeiten weist die Titanoxidoberfläche also mehr Proteine auf
als die Aluminiumoxidoberfläche. Elektrostatische Wechselwirkungen
lassen sich allerdings relativ einfach unterdrücken, z. B. in
konzentrierten Salzlösungen. Wir gehen davon aus, dass diese
Korrelationen zwischen der Oberfläche und dem Spike-Protein auch bei der
initialen Anhaftung kompletter SARS-CoV-2-Viruspartikel an den
Oberflächen eine wichtige Rolle spielen. Nach diesem ersten Kontakt
könnten jedoch weitere Prozesse, die durch andere Proteine vermittelt
werden, an Bedeutung gewinnen.“
Laut Keller bedarf es allerdings
noch weiterer Studien: „Um die Hierarchie der beteiligten
Wechselwirkungen vollständig aufzuklären, sind Untersuchungen auf
molekularer Ebene unter Verwendung verschiedener isolierter
Hüllkomponenten sowie kompletter SARS-CoV-2-Viruspartikel notwendig“.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-paderborn.de/nachricht/94831
Quelle: Universität Paderborn (12/2020)
Publikation: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/anbr.202000024
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